Momentan herrscht in meiner Weinrunde ein bisschen Flaute was die Proben angeht. In solchen Fällen muss man sich dann natürlich behelfen und selbst eine veranstalten. Aber so oder so: In diesem Jahr wollte ich endlich meine erste eigene Probe machen. Thema: Riesling Jahrgang 2020.
Warum genau diese Rebsorte und dieser Jahrgang? In 2020 habe ich mit meiner Weinreise angefangen. Vom Schoppen auf Schloss Staufenberg in Durbach über die Erkundung der Supermarktregale, das Arbeiten bei Rebholz in Siebeldingen, die Lese bei Breuer in Rüdesheim, diesen Blog zu gründen, bis hin zur Presseeinladung nach Hamburg ist einiges passiert für das ich sehr dankbar bin. Geblieben über all die Zeit ist die Liebe für Riesling und weil ich mir als Student den Keller nun mal nicht ausschließlich mit GGs vollmachen kann, habe ich immer nach sehr guten Mittelklasse-Weinen gesucht. Einige davon wollte ich schon immer mal im Vergleich zu höher klassifizierten Weinen, zu Geheimtipps oder zu fan favourites probieren. So etwas macht man aber einfach nicht allein oder im kleinen Kreis mit zwei bis drei anderen. Dafür muss man eine Probe veranstalten und genau das habe ich vor ein paar Wochen gemacht.
2020: Der dritte Hitzejahrgang in Folge
Über 2018 habe ich schon häufiger geflucht. Viele Winzer schienen nicht gut genug auf die enorm hohe Ganzjahreswärme und die Hitzespitzen vorbereitet zu sein. Resultat waren vermehrt Weine, die jung unheimlich lecker und unkompliziert daherkamen, aber nach einigen Jahren schon an Spannung verloren oder einem mit Petrol und Gummiabrieb den Spaß verdarben.
2019 war fast genauso heiß, hatte aber dafür nicht so krasse Hitzespitzen. Trotzdem zeigen einige 19er jetzt die gleichen Probleme wie die 18er, aber eben nicht so viele. 2019 hat auch absolut grandiose Rieslinge hervorgebracht, die viel kühler, präziser und schlanker daherkommen als man bei einem solchen Jahrgang vermutet hätte. Pigott und Reinhardt überschlugen sich mit Lobeshymnen für den Jahrgang und sorgten gemeinsam mit der allgemeinen Beschäftigungslosigkeit des ersten Corona-Jahres 2020 dafür, dass viele Weine in null Komma nichts aussubskribiert waren. Was meine Erfahrung betrifft, so zeigen sich manche 19er jetzt auf ihrem Höhepunkt, aber andere deuten ihr Potenzial auch jetzt noch gerade erst an. 2020 ist da anders.
Ein junges 2020-Riesling-GG war auch zur Auslieferung im Herbst 2021 ein junges Riesling-GG. Bissig, phenolisch, schweflig, aber trotzdem charmanter. Das Jahr war zum dritten Mal in Folge ein heißes, aber inzwischen hatten die Winzer sich darauf eingestellt. Die Weine waren reif, aber schlank und immer mehr trauten sich mit den Restzuckerwerten runterzugehen. Mit dem Attribut “Jahrhundertjahrgang” war man etwas vorsichtiger, obwohl die Bewertungen der relevanten Kritiker schon immer noch sehr hoch waren. Im Schnutentunker las man regelmäßig zu GGs, welche als “Weltklasse” kategorisiert wurden, Sätze wie “offen wie ein Scheunentor” und diesen Eindruck habe ich so geteilt. Nachdem alle meine 18-er GGs, außer Diel, inzwischen wirklich drüber sind, wollte ich bloß nicht zu lange mit meinen 20ern warten. Also beschloss ich 2024 die obere Mittelklasse aka Ortsweine, Ortsweine Aus Ersten Lagen und die “echten” Ersten Lagen zu probieren, um dann im folgenden Jahr die GGs zu entdecken.
Was kommt in die Probe rein?
Abseits von guten bis hoffentlich sehr guten 2020er Mittelklasse Rieslingen wollte ich noch ein paar andere Weine in die Probe schmuggeln, um zu schauen, wie sie im Vergleich abschneiden. Für mich war klar, es musste ein GG mit rein, es musste einmal ein anderer Jahrgang mit rein und eigentlich wollte ich meine Wahrnehmung testen und eine völlig andere Rebsorte als Piraten mit in die Probe nehmen. Dieser Plan ging leider nicht auf, denn die blöde Flasche korkte, aber so sehr, dass man nicht mal mit ganz viel Vorstellungskraft erahnen konnte was das hätte sein sollen.
Zum Start gab es sparkling Albariño, ein erstes Mal für uns alle: Adegas Galega Danza Escumoso Albariño Brut. Ein frischer, aber trotzdem harmonischer, briochiger Schaumwein, der wunderbar in den Abend leitete.
Hier einmal das Teilnehmerfeld (alles 2020, außer wenn anders angegeben):
- Van Volxem Alte Reben
- Lisa Bunn Wintersheim
- Georg Breuer Rüdesheim “Estate”
- Emrich-Schönleber “Halgans” 2021
- Wittmann Nierstein 1G
- Janson-Bernhard Schwarzer-Herrgott “Unterm Kreuz”
- Flick Hochheim Königin Victoriaberg EL
- P-J Kühn Hallgarten “Alte Reben”
- Keller “von der Fels”
- Wittmann Aulerde GG
- Bäder La Roche
- Rebholz Siebeldingen “vom Muschelkalk”
- Pratsch Ried Heiligenberg
- Mayer am Pfarrplatz Nussberg
Die Probe
Acht Weinbegeisterte waren dazu aufgefordert 14 verschiedene Weine in eine Reihenfolge zu bringen. Punkten durfte jeder für die eigene Orientierung, aber es spielte für die Probe an sich keine Rolle. Plätze durften mehrfach vergeben werden. In solchen Fällen wurde dann einfach ein oder zwei Plätze freigelassen und danach weitergezählt. Die Gesamtpunkte wurden am Ende zusammengezählt und die Weine mit den niedrigsten Werten lagen vorne und die mit den höchsten Zahlen lagen hinten.
Hier ist jetzt erstmal das Endresultat und danach rede ich darüber, wie es dazu gekommen ist.
Platzierung | Wein |
---|---|
1. | Wittmann Nierstein 1G |
2. | Keller “von der Fels” & Van Volxem “Alte Reben” |
4. | Mayer am Pfarrplatz Nussberg |
5. | Emrich-Schönleber “Halgans” 21 |
6. | Flick Königin Victoriaberg EL |
7. | Wittmann Aulerde GG & Bäder La Roche |
9. | Breuer Rüdesheim “Estate” |
10. | Pratsch Ried Heiligenberg |
11. | Janson-Bernhard Schwarzer-Herrgott “Unterm Kreuz” |
12. | P-J Kühn Hallgarten “Alte Reben” |
13. | Lisa Bunn Wintersheim |
14. | Rebholz Siebeldingen “vom Muschelkalk” |
Die Ergebnisse
Van Volxem “Alte Reben”
Gleich zum Einstieg kommt ein Wein bei dem sich eigentlich alle einig sind. Charmant, tiefgründig, Säure nicht unangenehm und sehr gebietstypisch. Als aufgedeckt wird, sind Teile der Runde sehr ungläubig. Niewodniczanski polarisiert offenbar nicht nur mich, denn offen verkostet wäre der Wein sicherlich deutlich weiter hinten gelandet. Sobald aufgedeckt ist kommen die Ressentiments ans Licht, denn die Mission mit der “Niewo” das Weingut führt, stößt vielfach auf Ablehnung – auch bei mir. Normalerweise stört mich bei Van Volxems Weinen hauptsächlich die größeren Mengen Schwefel, die über der sonst verheißungsvollen Nase liegen. Hier nicht. Der Wein hat eine innere Ruhe und eine Strahlkraft, die ich so noch nicht bei diesem Weingut hatte. Hut ab. Da muss man einfach bereit sein etwas Abstand von den eigenen Vorurteilen zu nehmen. (2. Platz Gesamtwertung; mein Platz 6)
Lisa Bunn Wintersheim
Schon auf dem Weingut selbst in diesem Jahr hatten mich die Rieslinge nicht restlos überzeugt. Der gleiche Wein aus 2018 hatte mir mit drei Jahren Reife unglaublich gut gefallen, weil er so eine spielerische Leichtigkeit und diesen Wohlfühlcharakter hatte. Blutjung war das beim 2020er ähnlich, weshalb ich ihn in der Probe dabei haben wollte. Mit vier Jahren Reife fällt diese Flasche aber leider definitiv aus dem tollen Feld heraus. Ihm fehlt leider die Spannung und er wirkt müde im Vergleich zu manch anderem. (13. Platz Gesamtwertung; mein Platz 14)
Georg Breuer Rüdesheim “Estate”
Das zweite Weingut mit persönlichem Bezug. Selbst für manche der jüngeren Generation an Sommeliers, Weininfluencern und Content Creator, die sonst viel mit “konventionellen” Rieslingen fremdeln, hat Theresa Breuer so etwas wie einen Heiligenstatus. Häufig schließe ich mich da auch an. In der Probe fällt dieser Rüdesheimer Ortswein nicht direkt ab, aber oben kann er leider nicht mitspielen. Mit fast einer Woche im Kühlschrank gefällt er mir besser, aber so, dass er knapp nicht die 90 Punkte knacken würde. So reicht es nur für das untere Mittelfeld. (9. Platz Gesamtwertung; mein Platz 9)
Emrich-Schönleber “Halgans” 2021
Die Schlagzeile “Ich habe eine Riesling 2020-Probe veranstaltet und ein 21er hat gewonnen!” hätte ich sehr witzig gefunden. Aber so weit kam es nicht, obwohl dieser Halgans definitiv einer der schönsten Weine der Probe war. Im Vergleich zu so manchem 20er konnte man die kräftigere Säure zwar schon erkennen, aber mir fiel das nicht groß unangenehm auf. Lagentypisch hat der Wein einfach etwas mystisches, rauchiges was ich sehr mochte. Ich bin nach all den Ernüchterungen mit 18ern und 19ern, die ich schon nach ihrer Blüte erwischt hatte, dazu übergegangen nicht zu lange mit diesen warmen Jahrgängen zu warten, aber auch dieser kühle 21er zeigt sich prächtig und kaum verschlossen. Theresa Breuers Lorcher “Estate” aus 21 hatte mir das schon im Frühling angedeutet. Bei zweien landet er auf Platz eins. Kann ich gut verstehen! (5. Platz Gesamtwertung; mein Platz 2)
Wittmann Niersteiner 1G
Platz 1 “Aus Ersten Lagen”. Der Wein steht so prototypisch für die Art Riesling die ich mag. Frische Säure, leicht karge, steinige Phenolik, wenig Restzucker und mit richtig schön Druck unter der Haube, ohne dabei aber zu üppig zu werden. Zwei Mal Platz 1 aber mit weniger Ausreißern nach unten ist dieser “Ortswein Aus Ersten Lagen” der knappe Sieger der Probe. Insbesondere im Hinblick auf den anderen Wittmann-Wein in der Probe, ist das natürlich eine Überraschung. Besser vergleichbar mit diesem wäre offensichtlich der Westhofener gewesen, aber genau wie Rebholz’ “vom Rotliegenden” hatte ich diesen bereits im Blog und war deshalb mehr an einem anderen interessiert. Aber es hat sich ja gelohnt. Was für ein Wein! Hätte ich die Probe nicht veranstaltet … das wäre meine Vermutung für das versteckte GG gewesen. (1. Platz Gesamtwertung; mein Platz 1)
Janson-Bernhard Schwarzer Herrgott “Unterm Kreuz”
Mich würde mal interessieren, ob diesen Wein jemand von meinen Leserinnen und Lesern kennt. Keiner der Probenteilnehmern kannte ihn. Das Weingut begleitet mich schon seit langem. Schon bevor meine Faszination an diesem grandiosen Gesöff (GG) Fahrt aufnahm. Christine Bernhard ist Biodynamie-Vorreiterin im Zellertal. Eine lang unterschätzte Herkunft, bis Hans-Oliver Spanier anfing den Schwarzen Herrgott und den Kreuzberg für seine Spitzenrieslinge zu entdecken und man dem Zellertal endlich mehr Beachtung schenkte. Christine Bernhards Stil fällt im Vergleich mit anderen Rieslingen auf. Das war mir im Vorhinein schon klar. Ich war nur neugierig, ob es positiv, gleichgültig oder negativ aufgefasst wird. Das Ergebnis zeigt leider klar, dass sehr floraler Riesling eine eingeschränkte Zielgruppe hat. Auch mir gefiel diese kräftige, blumige, reifere Art an diesem Tag nicht so gut wie viele anderen Weine. (11. Platz Gesamtwertung; mein Platz 10)
Flick Königin Victoriaberg EL
Für mich die große Überraschung der Probe. VDP hin oder her – neben Breuer, PJK, von Oettinger oder auch den großen Klassikern Künstler und Weil, geht Flick in der medialen Präsenz einfach unter. Hochheim hat ohnehin vielfach einen schweren Stand. Selbst Rheingauer rümpfen über den Ort am Main ab und an die Nase. Ich finde, dass dort häufig vieles zwischen Genie und Wahnsinn liegt. Manchmal liebe ich die “simplere”, säurebetontere, straighte Art von Hochheimer Rieslingen sehr. Aber manchmal fehlt mir einfach die Spannung und der Tiefgang. Wie schön, dass dieser Königin Victoriaberg zur ersten Kategorie gehört. Mit drei ersten Plätzen bei Probenteilnehmern hätte er in dieser Kategorie sogar gewonnen, aber die Meinungen gehen insgesamt doch deutlich auseinander. Überraschend ist vor allem, dass der Wein eine Streichholzreduktion wie ein Knebel oder ein Gunderloch hat. Das hätte man bei einem so klassischen Weingut gar nicht erwartet. Darüber hinaus ist er aber dann einfach ein schlanker, eleganter und durchaus anspruchsvoller Rheingauer Riesling. Nicht ganz trocken, Säure nicht zu anstrengend und dahinter brilliert er dann über eine Klarheit wie ein Gebirgsbach. In der Frucht geht’s fast etwas in Richtung Kiwi, aber zum Glück angenehmer als es Marlborough Sauvignon Blanc oft tut. Ihm fehlt für mich so ein bisschen etwas Zwingendes, das ihn dann nochmal hervorheben würde. Vielleicht ist das aber doch auch eher mein Wissen über den Namen. Ich bin ganz froh, dass auch ein paar von den blind probierenden Leuten ihn nicht ganz weit vorne sehen, damit ich mir selbst nicht so oberflächlich vorkomme 😀 (6. Platz Gesamtwertung; mein Platz 7)
Peter-Jakob Kühn Hallgarten “Alte Reben”
Bei diesem Wein bin ich tatsächlich echt enttäuscht davon wie er sich entwickelt hat, denn ich habe ihn selber auf dem Weingut probiert, für gut befunden und zwei Jahre lang eingelagert. An diesem Tag präsentiert er sich leider einfach nur nichtssagend. Kein Strahlen, keine Kühn-typische “funkyness” und kaum Spannung. Abseits davon fehlt ihm leider einfach etwas die Leichtigkeit. Ein Teilnehmer ist anderer Meinung aber beim Rest des Tisches geht der Wein komplett unter. (12. Platz Gesamtwertung; mein Platz 13)
Keller “von der Fels”
Durch guten Zugang zu diesem Wein, musste ich nicht die abstrus hohen Sekundärmarktpreise zahlen, die bei Keller sonst für alles aufgerufen werden. Dennoch stand der Wein meiner Meinung nach unter Druck zu performen. Ein Weingut mit einem solchen Ruf wie Donnerhall hat es in einer solchen Probe gefühlt immer nochmal schwieriger als andere. Wie schön, dass dieser von der Fels so sehr abgeliefert hat. Ein bis zwei Teilnehmer tippen hierbei auf das GG, was ich gut verstehen kann. Der Wein hat einfach einen unglaublich schönen Tiefgang, hat eine wunderbar reife und saftige Säure, ist recht konzentriert, aber nicht üppig, zeigt keinerlei größere Schwächen und ist absolut auf dem Level von einigen Großen Gewächsen. Für mich ist er damit nicht allein, aber gerade im Vergleich zum nächsten Wein macht er seinem Anspruch absolut alle Ehre. (2. Platz Gesamtwertung; mein Platz 4)
Wittmann Aulerde GG
Das eine versteckte Große Gewächs inmitten all dieser Ortsweine und Ersten Lagen. Wie fällt er also auf? Dadurch, dass er die Probe nicht gewinnt und nur im Mittelfeld landet. Wodurch unterscheidet er sich vom Rest des Feldes? Indem er im Vergleich zu üppig ist. So ganz verstehe ich es auch nicht, denn mit seinen 12.5% Alkohol und 3 Gramm Restzucker dürfte er eigentlich nicht Gefahr laufen in diese Richtung zu gehen. Dennoch fällt das im Kontext der Probe schon auf. Bitte nicht falsch verstehen: Das ist ein schönes GG mit Komplexität, Intensität, einer spannend nussigen Note und es zeigt sich keineswegs müde. Trotzdem präsentieren sich einige andere Weine präsenter, frischer, straffer, lebendiger und sind gleichzeitig tiefgründig und vielschichtig. Ich persönlich mag diese breiten Schultern sehr gerne und sehe den Wein tendenziell weiter vorne als andere, aber ich probiere ja auch nicht blind und lasse mich vielleicht vom Label beeinflussen. Zwei drei weitere stimmen meinem Urteil zu, aber für andere kommt er nur auf die hinteren Plätze. In der Gesamtwertung kann diese Aulerde nicht oben mitspielen. (7. Platz Gesamtwertung; mein Platz 3)
Bäder La Roche
Der französische Lagenname lässt sich auf den Besitz des Landes durch eine alte Hugenotten-Familie zurückführen. Gepaart mit dem rheinhessischen Ortsnamen “Uffhofen” klingt das aber trotzdem eher nach “Montraschett” (Grüße an Hendrik Thoma). So, genug unseriöser Mist, hin zum Wein, denn der bekommt die exakt gleiche Wertung wie die Aulerde kurz davor. Allerdings sind sich alle eher einig, dass er ein Wein fürs Mittelfeld ist, da es kaum Ausreißer nach oben oder unten gibt. Der Wein wird 25 Kilometer entfernt von Westhofen gemacht, aber die stilistischen Unterschiede sind doch deutlich. Während die Aulerde mehr der ruhige Muskelprotz ist, finde ich den La Roche eher “bunt aristokratisch”. Hier wird mehr weiche und harmonische Frucht zugelassen. Diese geht schon etwas ins Tropische mit Mango & Maracuja. Es wird, gefühlt, tendenziell mehr dem elsässischen Vorbild nachgeeifert als dem avantgardistischen Steinwein-Riesling GG mit viel Phenolik, wenig Frucht und mehr Ecken und Kanten. Das ist runder und reifer und wirklich gut. Die Teilnehmerin, die ihn im Anschluss mit nach Hause nimmt, berichtet von einer sehr tollen Entwicklung nach ein paar Tagen. (7. Platz Gesamtwertung; mein Platz 8)
Rebholz Siebeldingen “vom Muschelkalk”
Welche Verbindung ich zu dem Weingut habe, sollte denke ich langsam bekannt sein. Umso erstaunter war ich von der Platzierung. Zwei Stunden vor der Probe habe ich alle Weine auf Kork kontrolliert (zum Glück) und alle einmal doppelt gestürzt. Direkt danach zeigte sich der “vom Muschelkalk” als annähernd gleichwertiges Pendant zum hier im Blog schon sehr gefeierten “vom Rotliegenden” aus gleichem Jahr. Ich war gehyped und dachte, dass er sicher ganz weit vorne liegen wird. Leider muss man ehrlich sein und zugeben, dass der Wein in der Zeit, bis er dran war einfach in sich zusammenfiel. Ihm fehlte Spannung, Säure, Phenolik, eigentlich alles was ihn vorher noch ausgezeichnet hatte. Dadurch, dass er aber anfangs noch so performt hatte, würde ich eigentlich einen Flaschenfehler ausschließen. Es sei denn, jemand von euch kann mir erklären, dass es Fehler gibt, die erst nach bestimmter Zeit auftreten. Denn sonst muss ich dringend davor warnen dem Wein viel Luft zu geben. Schade. (14. Platz Gesamtwertung; mein Platz 12)
Pratsch Ried Heiligenberg
Der erste von zwei Österreichern und absolut kein großer Name. Ich hatte mir aber für die Probe vorgenommen, gerade was Österreich angeht, nicht nur die obvious choices mit reinzunehmen. Stefan Pratschs Weingut liegt im Weinviertel, abseits der großen Wachauer Namen. Das ist kein absoluter Geheimtipp, aber ich wollte es trotzdem gerne versuchen. Während er mir aromatisch auch noch ganz gut gefällt, fällt er am Gaumen dann leider in sich zusammen. Da bleibt vom prinzipiellen Rieslinggedanken der Probe wenig übrig. Eine Teilnehmerin schreibt in die Notizen: “Ist das Riesling?”. (10. Platz Gesamtwertung; mein Platz 11)
Mayer am Pfarrplatz Nussberg
Zum Abschluss der Probe kommt dann wieder ein Wein aus der Kategorie “everybodys darling”. Das ist der kleine Bruder vom “Weißen Marmor”, der vielleicht den Blindflug-Hörern geläufig ist. Für alle anderen gilt einfach nur: Fahrt nach Wien oder zahlt den Versand nach Deutschland, denn das ist wunderbar harmonischer Riesling! Ich finde ihn in seiner Anmutung kühl und straff, mit einer tollen leicht zupackenden Phenolik und einem sensationellen Trinkfluss. Es ist nicht der größte Wein der Veranstaltung, aber ein erneutes gutes Beispiel dafür, dass die letzten Weine einer Probe offenbar gerne diese versöhnliche Art haben, um das ganze schön abzurunden. Oder die Veranstalter haben ein gutes Gespür für die Weine und bringen diese bewusst als letztes (Achtung: Eigenlob stinkt!) 😉 (4. Platz Gesamtwertung; mein Platz 5)
Fazit
Wenn ein GG inmitten 13 Mittelklasse Weine nicht gewinnt, ist das für mich kein Weltuntergang. Das sagt 0,0 darüber aus, ob Erste Lagen die besseren Weine geben als GGs, ganz zu schweigen davon, ob die Aulerde nicht besser im Westhofener 1G verpackt wäre (nein, wäre sie nicht!). Die Probe hat eigentlich hauptsächlich zwei Dinge gezeigt.
- 2020 ist ein sehr guter Jahrgang, aber kein Jahrhundertjahrgang. Der Hitzestress ist deutlich besser gemanagt als in den beiden Jahren zuvor. Weder zeigen die Weine unangenehme Bitter- noch nennenswerte Petroltöne. Bis auf das GG sind alle Weine weit entfernt davon fett oder üppig zu sein.
- Die Weine sind entweder kurz vor Trinkreife oder gerade mittendrin. Bei zweien würde ich sagen, dass sie drüber sind (Lisa Bunn und Pratsch). Rebholz verstehe ich nicht. Das muss ich eigentlich nochmal irgendwie anders probieren, um dahinter zu kommen was passiert ist.
Für mich war das eine total spannende und bereichernde Erfahrung so viele Rieslinge und insbesondere auch so viele persönliche Favoriten nebeneinander zu stellen und diese bewerten zu müssen. Man will eigentlich gerne alle mögen, aber um an so etwas halbwegs sinnvoll heranzugehen muss man sich ein bisschen von seinen Schätzchen distanzieren. Gerade im Fall von Rebholz tut das dann auch nochmal extra weh. Auch die Auseinandersetzung mit dem Geschmack der anderen macht wirklich Spaß. Was mir bei einem Wein total gefällt, kann für mein Gegenüber absolutes k.o. Kriterium sein.
Eine kleine Gemeinheit war mir leider nicht vergönnt. Eigentlich wollte ich als Piraten noch Roberto Ghios Zané 2020 mit in die Probe nehmen. Für mich erinnerte der Wein damals ein bisschen an Riesling-GGs aus wärmeren Jahren und ich hätte das sehr gern mal im Rahmen dieser Probe überprüft. Aber nein … die Drecksrinde hat zugeschlagen und von dem Wein wirklich nichts übrig gelassen. Wenn ich aber ehrlich bin, ist meine Quote was korkende Weine angeht wirklich gut. Ich tracke ja seit eh und Jeh alle Weine die ich trinke und in fast 1000 Weinen in vier Jahren hatte ich bisher zweimal Kork. Das darf gerne so bleiben.
Nach “getaner Arbeit” geht es für uns ins entspannte Nachprobieren über. Als erstes wird tatsächlich der Königin Victoriaberg leer, danach der Keller, danach Mayer am Pfarrplatz. So viel zum seriösen JLDF-Test. Darüber hinaus hat einer der Teilnehmer Wagner-Stempel Porphyr 1G 2019 mitgebracht. Ein wahnsinnig schöner Riesling, der in der Probe sicherlich ganz weit vorne mitgespielt hätte. Das bringt mich zu der Frage danach warum ich denn nicht diesen oder jenen Wein in der Probe drin hatte. Ganz einfach – weil man irgendwann einfach die Konzentration verliert, wenn man zu viele Weine in zu kurzer Zeit probieren muss. Gerne dabei gehabt hätte ich z.B. gerne noch eben genannten Wagner-Stempel, Gut Hermannsberg Vom Vulkan, Weil Turmberg, Bürklin-Wolf Forster Village oder Clemens Busch Nonnengarten. Was sind eure Favoriten? Schreibt mir das doch gern mal in die Kommentare.
Ich bin sehr gespannt auf die GGs im nächsten Jahr. Ich glaube, das wird ziemlich gut.
Eine Antwort auf „Riesling 2020: Zwischen Glanz und Gummiabrieb“
Vielen Dank für die tolle Beschreibung der Probe!
Die Ergebnisse sind spannend und zum Teil auch nicht wie erwartet.
Ich bin gespannt wie die GG-Probe dann ausfällt.
Viele Grüße
Michael