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Weintagebuch

2023 – Ein Rückblick

Das ist schon mein zweiter Jahresrückblick, den ich für diesen Blog schreibe. Ehrlich gesagt hätte ich vor knapp zwei Jahren nicht gedacht, dass ich das hier so lange durchziehen würde. Umso schöner, dass ich jetzt schon ins dritte Jahr gehe und es immer noch Menschen gibt, die sich alle paar Wochen dafür interessieren was ich in der letzten Zeit getrunken habe, wo ich mich vielleicht in der Weinwelt herumgetrieben habe oder was mich zum Nachdenken angeregt hat. Danke, dass ihr dabei seid. Aber jetzt mal zum kleinen Rückblick des Weinjahrs 2023.

Was ich mir vorgenommen hatte

Was das Thema Riesling angeht, bin ich sehr bei meinen Vorsätzen geblieben. Ich habe nach älteren gereiften Rieslingen gesucht, aus 2022 keine Großen Gewächse (GGs) gekauft und genug Spannendes für meine erste kleine Probe dieses Jahres gefunden.

Timorasso habe ich hauptsächlich eingekauft. Vietti hat es zwar in diesem Jahr in den Blog geschafft, aber ich hoffe, im nächsten Jahr weitere Timorasso vorstellen zu können.

Die Barbera Weltspitze habe ich zu einem größeren Teil in diesem Jahr getrunken. Das war teilweise wirklich extrem spannend, was Voerzio, Cavallotto und unter bestimmten Umständen auch Conterno auf die Flaschen gebracht haben. Ein bis zwei spannende hätte ich aber auch noch für 2024 im Keller.

Nebbiolo habe ich auch nur sporadisch im Blog behandelt. Dafür konnte ich vor Ort im Frühjahr selbst ein bisschen was Schönes einkaufen.

Was meine Ambitionen rund um Silvaner angeht, habe ich das nicht so durchgezogen wie erhofft. Rudi May und Familie Knoll haben es zwar in den Blog geschafft, aber ich habe tatsächlich nicht so viel eingekauft. Vielleicht hole ich das ja noch nach.

Abgesehen von etablierten Größen wie Kühn, Breuer und eingeschränkt auch Diefenhardt habe ich den Rheingau kaum im Auge behalten.

Die Rías Baixas hingegen habe ich, gerade im Herbst, ausführlicher probiert und werde versuchen mittelfristig selber hinzufahren und mir das mal anzusehen.

Neue Projekte

Was habe ich im vergangenen Jahr stattdessen überproportional viel probiert? Ganz klar, Schaumwein! Die Welt des Prickligen hat es mir absolut angetan. Dazu gehörten absolute Aha-Erlebnisse wie Mathias Knebels Riesling brut 2020, diverse spannende Champagner und last but not least: Diel Cuvée Mo 2014 auf der VDP Herbstpräsentation Ende November in Köln. Der Wein hat alles abgeräumt und hätte es auch sicher in meine diesjährige Top-10 geschafft, wenn ich ein bisschen mehr Zeit zum Verkosten gehabt hätte. Das muss ich unbedingt weiter verfolgen.

Was ich darüber hinaus 2023 kennengelernt habe und im neuen Jahr definitiv weiter probieren muss sind die Weine Andalusiens. Gemeint sind damit Sherry, aber auch vor allem trockener Palomino Fino. Das kann soo unglaublich gut sein, wenn man denn mit der sehr oxidativen Art etwas anfangen kann und bei gespriteten Weinen nicht aus dem Fenster springt.

Ansonsten bleibt vieles beim Alten und ich werde weiterhin versuchen euch einen guten Mix aus neueren Sachen, die vielleicht noch etwas unter dem Radar fliegen, zu zeigen und gleichzeitig immer auch mal ein paar Klassiker einzubauen. Schauen wir mal was wird. (Was wird …)

Syrah: Ein großes Versäumnis

Spätestens in der Masterclass mit Andrea Mullineux und ihren wirklich grandiosen Syrahs habe ich gemerkt, dass diese Rebsorte einfach zu denen gehört, die man ein bisschen besser kennen sollte. Daher habe ich beschlossen, mich, ähnlich wie zu Beginn meiner Weinreise, Stück für Stück durch die Qualitätsstufen zu probieren, um die verschiedenen Facetten dieser Rebsorte kennenzulernen. Wer ein paar Geheimtipps hat, immer her damit.

Die Datenbasis nutzen

Ich würde mich nicht unbedingt als besonders organisiert bezeichnen. Bei Wein ist das aber etwas anderes. Von dem Moment an als ich feststellte, dass mich das Thema auch richtig in der Tiefe interessiert, habe ich beschlossen sehr detailliert Buch über die Weine zu führen, die mir über den Weg liefen. Die Excel-Tabelle, in die ich nun schon seit fast dreieinhalb Jahren meine getrunkenen Flaschen eintrage, wächst stetig. Irgendwann schnappe ich mir mal einen Kollegen, der sich gut mit Statistik auskennt und werte diese Daten richtig aus. Bis dahin muss ich mich auf meine begrenzten Fähigkeiten in der Datenauswertung verlassen.

Ein Beispiel möchte ich aber trotzdem mal für die eigene Neugier hier vorstellen. Ich vergebe an sich nicht direkt Punkte, sondern bewerte (fast) jeden Wein in meinem eigenen kleinen System. Dieses lässt sich jedoch leicht ins 100er-System umrechnen. Darüber hinaus tracke ich auch immer die Preise, die für die jeweilige Flasche bezahlt wurden. Dabei unterscheide ich zwischen selbst gekauften Flaschen und solchen, die von anderen mitgebracht wurden. Den Mittelwert aus beiden Gesamtwerten habe ich jetzt mal über die letzten Jahre ausgewertet und neben die durchschnittlichen Bewertungen aller Weine des jeweiligen Jahres gelegt. Damit kann ich hoffentlich erkennen wie viel Geld durchschnittlich für die Weine bezahlt wurde und wie hoch die durchschnittliche Punktzahl war.

Nochmal zur Erinnerung: Mit einbezogen werden die von mir gekauften Flaschen und die, die von anderen Leuten mitgebracht wurden. Dann vergleichen wir doch mal die Jahre 2020 bis 2023:

2020: ca. 77 Punkte (ca. 8€ pro Flasche)
2021: ca. 88 Punkte (ca. 21€ pro Flasche)
2022: ca. 89 Punkte (ca. 23€ pro Flasche)
2023: ca. 90 Punkte (ca. 26€ pro Flasche)

Während ich mich 2020 noch sehr stark auf das Angebot meiner umliegenden Supermärkte verlassen habe und nur sporadisch Winzerweine dabei hatte, ist die Entwicklung von 2021 bis 2023 erstaunlich einheitlich. Irgendwie sehr spannend für mich zu sehen wie die Reise begonnen hat und wo ich inzwischen bin. Man muss sich das mal überlegen. Mein bester Wein des Jahres 2020 war Sauvignon Blanc 2019 Gutswein von Knipser, der heute vermutlich nicht mehr die 90 Punkte von mir bekäme, die ich ihm damals gegeben habe. Andererseits finde ich es irgendwie immer etwas beeindruckender, wenn einem in Deutschland ein guter Basis-Sauvignon über den Weg läuft im Vergleich zu einem deutschen Basis-Riesling.

Jedenfalls ist es ja immerhin schon mal etwas erleichternd, dass ich scheinbar auch einen „Mehrgenuss“ erhalte für das „Mehr“ an Geld das ich ausgebe. Allerdings ist da die Inflation natürlich noch nicht rausgerechnet, was ja vielleicht sogar bedeutet, dass ich mich in der Gewichtsklasse gar nicht so wirklich weit nach oben bewegt habe. Oder natürlich: Ich hab über die Jahre gelernt wie ich noch besser die Rosinen der Weinwelt picken kann … vielleicht, würde ich jetzt aber lieber nicht zu sehr hochhalten ;).

Lieblingsweine die es nicht ins Blog geschafft haben

Ganz am Ende kommt auch noch meine Liste der „punktemäßig“ besten Weine des letzten Jahres. Abseits davon habe ich mich in diesem Jahr dazu entschlossen, auch noch die Top-5 Weine zu präsentieren, die es nicht ins Blog geschafft haben. Diese Weine stehen teilweise aber auch eher symbolisch für tolle Momente, die ich im letzten Jahr erleben durfte.

Dillmann Réserve Merlot & Cabernet Sauvignon 2020

Es wird teilweise zu Recht ein bisschen abwertend über alle möglichen Versuche gelächelt rote Rebsorten aus deutlich heißeren Gebieten der Welt hier in Deutschland anzubauen. Da schließe ich mich gelegentlich an, rudere jedoch genauso gerne zurück, wenn ich etwas finde, das dann so mühelos schön und elegant ist wie diese Bordeaux-Cuvée vom Weingut Dillmann. Gewachsen im Winkeler Jesuitengarten zeigt dieser Wein mit seiner ganzen reifen, saftigen, fleischigen Art und diesem wunderschönen leisen Gerbstoff im Hintergrund, dass zumindest gelegentlich Bordeaux auch im Rheingau möglich ist. (€€)

Roberto Sarotto Langhe Arneis „Runcneuv“ 2022

Hier stellt sich völlig zurecht die Frage: Warum kommt ein so unspektakulärer Arneis auf Gutsweinlevel unter deine Top-5 Lieblingsweine des letzten Jahres? Ganz einfach. Er steht repräsentativ für eine unglaublich schöne Reise von Deutschland, über die Schweiz ins Piemont, nach Ligurien, in die Toscana und wieder zurück übers Tessin ins heimatliche Rheinland. Dieser Wein stand auf dem Tisch, als mein Freund Friedrich und ich in einer kleinen Ferienwohnung in Alba Carbonara zubereitet haben, mit stumpfen Messern, völlig verbeulten Töpfen und Pfannen sowie nahezu antiken Käsereiben. Viel zu fettig, extrem salzig aber so unglaublich lecker. Die gehobene piemonteser Küche haben wir natürlich auch mal gehabt, aber das ist eine andere Geschichte. (€)

R. López de Heredia Viña Gravonia Crianza 2014

Muss ich zu dem Wein noch viel sagen? In meine Excel-Tabelle habe ich mir eingetragen: schlichtweg grandios; geht auch wieder in diese Sherry, oxidative Richtung, Nussig, Salzig, Mandarine, langer Abgang, Phenolisch, Knochentrocken, Schöne, dezente aber präsente Säure
Kann man so belassen, oder? Jetzt muss ich nur noch irgendwann mal an die Reserva kommen … (€€€)

Julie Duffour Champagne „Cléobuline“ NV

Dieser Wein stand kurz vor Weihnachten auf dem Tisch als wir innerhalb der Kölner Weinrunde eine Probe veranstalteten bei der wir uns gegenseitig Weine aus der Kategorie „zu schade um sie einfach mit der ‚buckligen‘ Verwandtschaft zu trinken“ präsentierten. Aka best bottles aus dem Keller holen und sich vorweihnachtlich auf höchstem Level bespaßen. Von dieser Runde allein könnte ich wahrscheinlich mindestens einen ganzen Beitrag schreiben, aber ich wollte an dem Tag nur genießen und mir nicht die ganze Zeit Notizen machen. Besonders im Kopf geblieben ist mir aber dieser Champagner gleich zu Beginn. Wir haben blind, aber nicht mit schwarzen Gläsern probiert und trotzdem tappten viele von uns in die klassische Champagner-Falle. Ein Wein mit einem Anteil von 70% Pinot Noir kann halt irgendwie trotzdem federleicht, säurebetont und filigran wie ein Blanc de Blancs schmecken. Ich fand das unglaublich lecker. (€€€€)

Egon Müller „Scharzhof“ Riesling 2013

Spätestens bei diesem Wein brauche ich aber keine Einleitung schreiben, hoffentlich jedenfalls. Es gibt in Deutschland eigentlich kaum etwas Berühmteres als Egon Müller und seine restsüßen Genialitäten und ich hatte vor ein paar Wochen tatsächlich mal das Vergnügen mich selbst davon überzeugen zu können. Man ahnt Schlimmes, wenn etwas so grandios schmeckt und lediglich die Basis des Weinguts darstellt. Das rechtfertigt trotzdem nicht die abstrus hohen Preise für seine Versteigerungsweine, aber das ist ein Thema für einen eigenen Blogbeitrag. Zehn Jahre gereift und immer noch unglaublich frisch und jugendlich. Kaum Petrol, dafür Safran, ein enormer aromatischer Tiefgang und dabei dann noch so unanständig lecker. Das ist schon eine große Kunst. (€€ – €€€)

Top-10 Weine des Jahres 2023

Keine große Erläuterung. Einfach nur Liste.

  1. Gaja Barolo „Dagromis“ 2014 (€€€€)
  2. Crystallum Chardonnay „Clay Shales“ 2021 (€€€)
  3. Bruno Rocca Barbaresco „Currà“ 2016 (€€€€)
  4. Château Musar Rosé 2018 (€€€)
  5. Von Winning Sauvignon Blanc „500 Reserve“ 2017 (€€€)
  6. Gunderloch Riesling Niersteiner Hipping GG 2019 (€€€)
  7. Kuhn Weißburgunder Laumersheimer Kirschgarten GG 2020 (€€€)
  8. Wwe. Thanisch Bernkasteler Doctor Spätlese 2010 (€€€)
  9. Matthiasson „White Wine“ 2019 (€€€)
  10. Château Palmer „Alter Ego“ 2009 (📉)

Danke

Zum Schluss möchte ich mich noch einmal bedanken. Einerseits natürlich bei euch allen, die ihr diesen Blog lest, aber auch bei jemandem, der dazu beigetragen hat, dass die Zahl dieser Leute langsam aber recht stetig wächst. Und zwar handelt es sich um Andreas Oeing vom Blog „wegezumwein.de„, der vor ein paar Wochen einen Online-Feed für deutschsprachige Weinblogs und andere Online-Publikationen zum Thema Wein eingerichtet hat. Zu meiner positiven Überraschung habe ich festgestellt, dass ich mich auch in dieser Liste befinde, wodurch jedes Mal einige Menschen auf diesen Blog aufmerksam werden. Dementsprechend mache ich jetzt auch mal liebend gerne Werbung für Andreas‘ Blog, genauso wie für die Liste aller anderen Publikationen. Den Feed mit den aktuellen Veröffentlichungen findet ihr hier.

In diesem Sinne, auf ein schönes Jahr 2024. Ich bin mit Griesel Sekt und einem halberfolgreichen Versuch die Flasche zu sabrieren, ins neue Jahr gestartet und halte mich was Alkohol angeht im Januar etwas zurück. Es ist nicht ganz ein ‚Dry January‘, damit ich wenigstens ein paar Beiträge schreiben kann, aber ein bisschen Regeneration nach der Weihnachtszeit schadet sicher nicht. Ein „off-dry January“ sozusagen.

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