Die letzte Woche hat mich etwas nachdenklich gemacht und weil dies kein Weinempfehlungsblog sondern eigentlich ein öffentliches Weintagebuch ist, bei dem ich hin und wieder auch mal laut denke, geht es im heutigen Beitrag darum.
Gegönnt
Ich bin letzte Woche 24 geworden und habe mich ein paar Tage später mit einem Weinfreund getroffen, für einen “best-bottle-Abend”. Auf dem Tisch standen Riesling Schlenzenberg GG 2016 vom Weingut Diefenhardt und Alter Ego 2009 von Château Palmer. Beides waren absolut hervorragende Weine. Auch diesmal zeigte sich ein 16er-Riesling extrem frisch und präzise, allerdings diesmal ohne die ganz große Klasse und Komplexität, dafür mit einem wahnsinns Trinkfluss – eigentlich kein unbedingtes Kriterium für ein GG, muss aber trotzdem unbedingt genannt sein. Der zweite Wein bringt mich jetzt schon seit vielen Tagen ins Grübeln …
Die Anzahl an Bordeauxs, die ich bisher getrunken habe, liegt wahrscheinlich unter zehn. Trotzdem habe ich irgendwann gemerkt, dass ich auf diese majestätische Eleganz stehe, die “guter” Bordeaux gerne hat. Deswegen habe ich Anfang letzten Jahres mal angefangen nach einem trinkreifem Bordeaux zu suchen, der zumindest unter Verdacht steht (fast) ganz oben mitzuspielen. Dabei bin ich auf diesen Zweitwein eines der “super-second” Châteaus aus dem sensationellen Jahrgang 2009 gestoßen und bin über meinen Schatten gesprungen.
Der “Fine-Wine-Zirkus”
In gewissen Weinanbaugebieten der Welt wird der Preis anhand des Rennommées des einzelnen Weinguts bemessen, nicht unbedingt anhand der Qualität. Im Burgund steht und fällt der Preis eigentlich hauptsächlich mit dem Namen der Lage (es sei denn man heißt z.B. Armand Rousseau und kann doppelt so viel für einen Chambertin verlangen), während im Bordelais eigentlich auch noch knapp 170 Jahre nach der Klassifizierung des Medoc, alles am Namen des Produzenten hängt. Dementsprechend würde man vermuten, dass für diese Kategorie von Weinen eine andere Form von Punkten zählt als für den Rest. Dass das leider nicht der Fall ist, habe ich mit diesem Wein jetzt hoffentlich final gelernt.
Die Bewertungen der professionellen Verkoster pendeln sich alle so zwischen 91 und 93 Punkten ein, was für mich ein klein wenig zu niedrig erscheint, aber hier möchte ich meine Meinung wirklich nicht als objektiv-gleichwertig hinstellen. Für mich hat der Wein mit 95 Punkten knapp die Grenze zum Prädikat “groß” geknackt, aber ich hatte mir doch schon noch ein kleines bisschen mehr erhofft, zurecht oder nicht vermag ich nicht zu sagen.
Ich befinde mich jetzt nach diesem wirklich hervorragenden Wein in gewisser Weise an einem Punkt an dem ich für mich entscheiden muss, ob ich mich weiter und auch höher versuche, oder ob ich “Danke!” sage und woanders weitermache? Oder mit anderen Worten: “Will ich da rein in diese Fine-Wine Welt oder bleibe ich lieber ein äußerer Beobachter?”
Die Weine
Diefenhardt Schlenzenberg GG 2016
Die trinkige Interpretation des GG. Wirkt als 16er deutlich frischer und jünger als Leitz’ Berg Roseneck GG 15, den wir ein paar Wochen zuvor probiert hatten. Eine unfassbar ausgeprägte Steinobstfrucht. Fehlt nach hinten raus einfach an Länge. Er stolpert vielleicht ein bisschen über seine 7g Restzucker. Trotzdem ein toller Wein. (€€€)
Château Palmer “Alter Ego” 2009
Für insgesamt knapp zwei Stunden dekantiert. Wunderschöne Frucht, die insgesamt deutlich heller wirkt als viele andere Bordeauxs. Auch deutlich weniger animalisch/stallig, dafür mit Holzaromen der allerfeinsten Sorte. Wirkt trotz seiner 14% nicht schwer, hat dennoch viel Kraft, bleibt aber dabei extrem elegant. Mittlerer bis langer Abgang. Wunderschöner Wein, aber es verbleibt ein leichtes ungutes Gefühl. (📉)
2 Antworten auf „Alter Egos und trinkige GGs“
Die ganz große Begeisterung bleibt aus und 95 Punkte – wie passt das zusammen? In quasi allen Bewertungssystemen der Welt sind 95 Punkte als ganz große Begeisterung definiert.
Stimmt, da hast du völig Recht. Einerseits nähere ich mich Punkten wahrscheinlich eher von oben als von unten an. Eigentlich ist aber mein Problem ein ganz anderes: Ich finde, dass das großer Wein ist, aber wenn ich mal meine finanziellen Limits sprenge und einen dreistelligen Betrag für eine Flasche Wein bezahle, hat der Wein es erstmal direkt schwieriger. Man ist begeistert, aber irgendwie doch unsicher, ob das jetzt genug Begeisterung ist für das Geld. Ob man diese hohen Ansprüche an einen Zweitwein stellen sollte, sei mal völlig dahingestellt. Dafür fehlt mir hier wahrscheinlich einfach genug Weine zum vergleichen. Da hab ich vielleicht doch einfach zu sehr an die Exponenzialfunktion geglaubt 😉