Je mehr die Pandemie aus den Nachrichten und aus den Köpfen verschwindet, desto mehr „Pandemieformate“ trudeln so langsam aber sicher aus. Auch wenn der ein oder andere sicherlich auch schon vor Anfang 2020 hier und da mal eine Online-Weinprobe gemacht hat, so haben diese im Zuge von Lockdowns und Ausgangsbeschränkungen erst so richtig an Bekanntheit gewonnen. Inzwischen gibt es zwar immer noch Online-Tastings, aber die Zahl ist massiv zurückgegangen, seitdem man sich auch wieder in Präsenz zusammen betrinken und/oder weiterbilden kann. Es gibt aber auch Winzer und Händler, die an dem Konzept festhalten, denn ein Online Format öffnet einem auch teilweise Türen, die man „face-to-face“ kaum nehmen könnte.
Alles andere als „Parkerisierung“
Man kann, darf und sollte sich wahrscheinlich darüber streiten, welchen Einfluss Robert Parkers Gaumen lange auf die Weinwelt hatte. Eigentlich soll dies hier gar nicht groß thematisiert werden und doch komme ich beim Thema Kalifornien immer erstmal auf laute, fette und alkoholstarke Rot- und Weißweine aus dem neuen Holz. In dieser Stilistik waren zumindest die wenigen Kalifornier, die ich bisher probiert hatte.
So war ich sehr neugierig, als ich vor ein paar Wochen die Einladung zu einem Online-Tasting mit drei kalifornischen Weinen aus dem Sortiment von Wein am Limit bekam. Diese fand unter dem Titel „California Coolest Cats“ statt und sollte demonstrieren, dass Kalifornien viel mehr kann, als fette, buttrige Chardonnays oder Cabernet Sauvignon Trinkmarmelade. Ich stelle heute im Blog zwei dieser Weine vor. Zwei sehr unterschiedliche Weine, aber vor allem zwei absolute Individualisten mit einem Hang zur Finesse.
Die Weine
Matthiasson White Wine 2019
Cuvées im Weißweinbereich sind im Napa eine Seltenheit. Wenn man sich mal die Liste der populärsten Weißweine des Napa Valley ansieht, dann findet man abseits eines Sauvignon Blancs von Screaming Eagle für schlappe 4000 € nur reinsortige Chardonnays. White Blends haben hier einfach keine Tradition, erklärt Steve Matthiasson über seinen 2019er „White Wine“. Die Idee hinter dem Wein war es, die perfekte Balance aus Kraft und Frische zu finden und so füllt Matthiasson seit dem Jahrgang 2005 diesen Wein aus 50% Sauvignon Blanc, 25% Ribolla Gialla, 23% Semillon und 2% Tocai Friulano. Gerade von den beiden Rebsorten aus dem Friaul hatte ich vorher noch nie gehört, aber die Erklärung hinter dem Konzept des Weins ist absolut schlüssig. Sauvignon Blanc bringt die Frische und das Säuregerüst, Ribolla Gialla bringt die mineralische Salzig- und Nussigkeit, Semillon die Fülle und den Körper und am Schluss wird mit ein wenig vom sehr würzigen Tocai Friulano abgerundet.
Ich bin fast ein bisschen geschockt davon, wie gut das funktioniert. Auch wenn er einen kleinen Anteil von 15% neuen Barriques hat, ist so etwas wie Holzton nicht sehr auffällig. Der Wein hat 12,5% Alkohol, gute 6,4g Säure, ist fast elektrisch aufgeladen vor Spannung und bleibt dabei trotzdem leicht, filigran und frisch. Er ist zwar extrem „lebendig“ (Ich hasse dieses Wort eigentlich in Verbindung mit Wein, aber hier passt es ausnahmsweise mal) und bleibt dabei leise. Aber auch leise kann beeindrucken, denn ich finde diesen Wein absolut grenzgenial. (€€€)
A Tribute to Grace – Vie Caprice Vineyard Grenache 2017
Angela Osbourne wanderte Mitte der 00er Jahre von Neuseeland ins Santa Barbara County aus, um dort Grenache zu machen. Während man sie dort anfangs lange dafür belächelte, dass ihre Weine deutlich weniger extrahiert sind als viele andere rote Kalifornier und manch einer sie gar für Rosés hielt, so hat sich ihr Stil dort inzwischen etabliert und wird international geschätzt. Die Grenache-Klone für den Vie Caprice Vineyard sind Angelas „schwerste“ und intensivste Klone, die sie vinifiziert. Sie besitzt die Weinberge nicht selbst, sondern arbeitet mit unterschiedlichen Winzern zusammen, die ihre Trauben selbst nicht vermarkten. Dort wo es möglich ist, bittet sie um eine biologische und nach Möglichkeit auch biodynamische Bewirtschaftung. Allerdings erklärt sie auch, dass letzteres nur sehr selten möglich ist, da Winzerinnen und Winzer, die sich die Mühe einer biodynamischen Wirtschaftsweise machen, dann auch selbstständig ihre Weine ausbauen und vermarkten. Genau wie bei Steve Matthiasson und bei Hanzell Vineyards, dem dritten Wein der Verkostung, wird viel Wert auf Nachhaltigkeit, abseits von ökologischen Zertifizierungen, gelegt.
Der Wein ist farblich sehr viel näher an typischeren Pinots und Nebbiolos dran, als den berühmten und intensiven Grenaches der Rhône. Mit manch Nebbiolo teilt er sich seine sehr floralen Aromen, aber darüber hinaus ist das ein sehr eigener Stil. Die Eleganz und Feinheit ist schon echt wunderschön. Daran stören die 14% Alkohol auch überhaupt nicht, wobei ich als Piemont-Fan vielleicht auch einfach ein bisschen mehr daran gewöhnt bin als der ein oder andere, der sonst eher bei Spätburgunder mit 11,5% unterwegs ist. Wer mehr auf den Rhône-Stil steht, dem könnte dieser leise und feinflorale Santa Ynez-Valley Grenache nicht „spektakulär“ genug sein, wobei ja Kraft und Konzentration wirklich nicht immer alles sein kann. (€€€)
Das Format
Nachdem alle drei Winzerinnen und Winzer ihre Weine vorgestellt und ein paar Fragen beantwortet hatten, blieb noch genug Zeit, um mit Hendrik Thoma und den anderen Teilnehmern sich ein bisschen über das Tasting auszutauschen. Als es dann aber irgendwann nicht mehr um die Weine ging und die Themen sehr allgemein wurden und manche Teilnehmer das Thema ansprachen, dass man Weißweine ja gar nicht immer jung trinken muss … war ein guter Zeitpunkt gekommen, mich aus der Diskussion auszuklinken :). Trotzdem war es ein lustiger und informativer Abend, der mir tolle Weine ins Glas gebracht hat.
Offenlegung: Ich habe für die Weine des Tastings nicht selbst gezahlt, sondern wurde eingeladen.