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Die Entdeckung: Álvaro Loza

Ein junger Winzer mit neuen Ansätzen und eine Region, die wie keine andere für spanischen Wein steht: Álvaro Loza in der Rioja – zwischen Ernteausfällen, Herausforderungen und spannenden Ideen.

Wenn man Reisen nicht großartig vorbereitet und einfach ein bisschen seinem Bauchgefühl folgt, dann kann es passieren, dass man auf einmal in der Rioja landet. Dass das wohl berühmteste Anbaugebiet Spaniens nicht unbedingt in unmittelbarer Nähe zur Hauptstadt Madrid liegt, war klar, aber wie weit man dann doch noch nach Norden fahren muss, hatten wir nicht auf dem Schirm. Dennoch fuhren wir etwa drei Stunden bis Haro um in viel zu kurzer Zeit einen Blick auf die traditionelle und die innovative Seite der Gegend zu werfen.

Quelle: https://www.mulberrytravel.com/rioja-wine-tour-contact/

Die meisten der großen bekannten Weingüter der Region (abgesehen von López de Heredia) bieten Weingutsbesuche und Verkostungen an und das sollte man auch mal unbedingt gemacht haben. Von meinem Besuch bei Muga erzähle ich im Reisebericht Spanien, an dem ich aber gerade noch schreibe. Heute möchte ich aber von einem jungen Winzer erzählen, dessen Weingut noch in den Kinderschuhen steckt, den ihr aber unbedingt auf dem Zettel haben solltet: Álvaro Loza aus Briñas, den ich über Hendrik Thoma kennengelernt habe.

01. Oktober 2024, kurz nach 11:00 morgens: Álvaro fährt mit dem Geländewagen vor, um uns seine Weinberge zu zeigen. Wie alle Winzer der Region steckt er selbst gerade mitten in der Lese, hat aber am heutigen Tag Pause, da Regen angekündigt ist. Während der Großteil Viura schon gelesen ist und gerade gärt, hängt noch recht viel Rotwein in den Weinbergen der Rioja. Wir steigen ein und machen uns auf den Weg in einen seiner Weinberge in Haro, dem Epizentrum des Weinbaus in der Rioja. Hier hat der Spätfrost in diesem Jahr richtig reingehauen und für fast 75% Ernteausfall gesorgt. Die Trauben, die Álvaro ernten konnte, sind von bester Qualität, aber trotzdem sind Verluste in diesem Ausmaß für ein junges Weingut katastrophal. Oberhalb seiner Parzelle wachsen die Trauben für Viña Gravonia von R. López der Heredia, aber dort bekommt man einen so enormen Frostschaden über andere Parzellen wahrscheinlich deutlich besser kompensiert.

Aussicht aus Álvaros Parzelle in Haro und ein Einblick auf die obere Bodenschicht.

Seit dem Jahrgang 2019 bringt Álvaro Loza eigene Weine auf die Flasche. Er hat ein paar kleine Pachtverträge mit seinem Großvater, aber quasi keine Arbeitsgeräte. Keinen Traktor, keine Handspritze, sogar der Geländewagen ist von seinem Bruder ausgeliehen. Obwohl es sicherlich bessere Startkonditionen als Winzer gäbe, so sieht man ihm sofort die Begeisterung für Wein ins Gesicht geschrieben. Gelernt hat er an der önologischen Schule in Haro und in Beaune, aber prägender waren sicherlich die zahlreichen Arbeiten und Praktika in der Champagne, an der Côte-Rôtie, im Napa Valley, in Tasmanien, usw. Über seine Freunde in Südafrika kommt er erstmals mit Hendrik Thoma in Kontakt, der ihn seit diesem Jahr in sein Portfolio aufgenommen hat. Seine Freunde in Südafrika? Ach ja, das sind unter anderem Alheits und Mullineuxs und über die muss ich hoffentlich nicht mehr viele Worte verlieren.

Unterschiede im Gestein zwischen den Orten Haro und Labastida.

Wir steigen erneut ins Auto und fahren etwa zehn Minuten lang bis zu seiner Paradeparzelle „Cien Reales“ in der Gemarkung Labastida, welche tatsächlich dem Namen entsprechend mal für 100 Reales beim Glücksspiel gewonnen wurde. Seitdem ist die Lage auch offiziell so eingetragen. Obwohl der Unterschied zwischen Haro (Rioja Alta) und Labastida (Rioja Alavesa) mehr eine administrative Sache ist, gibt es dennoch kleine Unterschiede im Terroir. Labastida, in der baskischen Provinz Álava, liegt etwas höher, hat einen größeren Kalkanteil im Oberboden und ist stärkeren Fallwinden von der oberhalb gelegenen Sierra de Toloño ausgesetzt. Deshalb wird hier, im Gegensatz zu Haro, auf Drahtrahmenerziehung gesetzt, um die Reben zu stabilisieren. Ein gemischter Satz aus alten Tempranillo- und Viurareben, wobei für den Cien Reales nur der Tempranillo verwendet wird und bei seinem zweiten Rotwein „Haro Labastida“ auch ein Anteil weißer Viura-Trauben dabei ist.

Cien Reales mit dem Monte de Toloño im Hintergrund.

Im direkten Vergleich ist Labastida vor allem pittoresker als das flacher gelegene Haro. Am Rand von Álvaros Parzelle wächst ein wilder Rosmarin, der unglaublich intensiv riecht – eine gern gesehene kleine Abwechslung wo hier sonst wirklich nur Reben stehen. Das rauere Klima direkt am Berg wo der Wind durchzieht, hat etwas fast Mystisches. Ich bin unglaublich gespannt darauf den Cien Reales von hier im November in Hamburg zu probieren, denn ab Weingut ist Álvaro komplett ausverkauft – zum Glück.

Aber auch die Trauben deuten die Qualität an, die hier schlummern muss. Im Vergleich zu den meisten anderen Beeren, die ich bei meinen Spaziergängen in den Weinbergen probiert habe, haben sich diese Tempranillo-Beeren nicht nur etwas mehr Säure bewahrt, sondern die Frucht wird von einem unglaublich feinen Gerbstoff geschliffen. Man sieht Álvaro an, dass dieser Weinberg sein Schmuckstück ist.

Cien Reales 2024-Trauben.

Als ich ihn frage, inwieweit all die Auslandserfahrungen ihn und seinen angestrebten Stil geprägt haben, spricht Álvaro nicht davon wie er die Rioja revolutionieren möchte. Er kämpft nicht gegen verstaubte Traditionen an, sondern geht seinen eigenen Weg. Praktika bei Spitzenweingütern auf der ganzen Welt haben ihm gezeigt, wie andere erfahrene Winzer denken, wie sie agieren oder wie sie auch auf widrige Umstände reagieren. Was bei dem einen funktioniert, ist noch lange keine Patentlösung, aber es erweitert Álvaros Erfahrungshorizont und kann ihm auf seinem eigenen Weg helfen.

Wir fahren zurück zum kleinen Weingut, in dessen Keller er einen eigenen Raum mietet, um dort seine Weine auszubauen. Dort stehen einige Bottiche in denen gerade der Viura für seinen Orangewine Contacto auf den Schalen vergärt.

Offene Maischegärung beim Contacto 2024.

Wir probieren den Contacto 2022, den er kurz von zu Hause geholt hat. Es ist bisher wirklich das Jahr der grandiosen Orangewines für mich und dieser schiebt sich sofort bis ganz an die Spitze. Die Nase ist absolut sensationell! Reife Orangenfrucht, viel Würze und obendrüber liegt eine Walnussnote der absoluten Extraklasse. Am Gaumen geht das genauso weiter. Ziemlich fruchtfern, trotzdem saftig und ein phenolischer Grip der unglaublich animierend wirkt. Zwei Minuten nach dem letzten Schluck spüre ich den Wein immer noch auf der Zunge. Das ist für mich große Kunst. In diesem Jahrgang hat der Wein tatsächlich eine gewisse Zeit unter Florhefe gelegen. Das ist nicht in jedem Jahr Álvaros Absicht, aber in diesem Jahr wollte er das so. Damit rennt er bei mir als Fan der neuen Vino de Pastos (also ungespritetem Sherry aus Andalusien) natürlich offene Türen ein. Unglaublich schöner Wein! (€€€)

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