Nach der technischen Einführung in die Weine der beiden Appellationen Asti Spumante DOCG und Moscato d’Asti DOCG letztes Mal, gibt es heute so etwas wie eine Zusammenstellung der zahlreichen Highlights meiner Reise im Rahmen des Projekts „Enjoy European Quality Food“. Der Vollständigkeit halber müsste ich eigentlich auch von den kulinarischen Highlights berichten, denn davon gab es ebenfalls mehr als genug, aber da gibt es für mich zwei Gründe dagegen. Erstens ist das hier ein Weinblog und kein Kochblog. Zweitens präsentiere ich hier Weine, die meine Leser_innen selbst nachkaufen können, wenn sie sie interessieren. Ein Gericht kann man im Zweifelsfall zwar nachkochen, aber es ist nicht das Gleiche wie vor Ort. Deshalb gibt es jetzt „nur“ Weinhighlights, die haben es dafür in sich.
Marenco Moscato d’Asti „Scrapona“ 2017
Wir beginnen mit einem der absolut schönsten Weine der gesamten Reise. Außerdem schlägt dieser Wein gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. In Teil eins habe ich ja erstens behauptet, dass Einzellagen auch für Moscato sinnvoll sind und zweitens, dass man diese Weine auch reifen lassen kann. Diese beiden Aspekte repräsentiert dieser Wein perfekt.
Das Weingut Marenco liegt in Strevi, einer Kleinstadt in der Provinz Alessandria. Neben Moscato werden dort Weine aus klassischen piemonteser Sorten wie Barbera und Dolcetto erzeugt. Aber auch unbekanntere Rebsorten wie der Albarossa stehen auf dem Programm. Besonders an diesem Weingut ist unter anderem, dass sie seit ein paar Jahren eine Bio-Zertifizierung haben, etwas, das im Piemont sonst eher selten anzutreffen ist.
Was passiert, wenn man Moscato d’Asti reifen lässt, ist ziemlich erstaunlich. Schon nach fünf Jahren nimmt sich die extrem stark duftige Primäraromatik zurück und macht Platz für Honig, etwas Petrol und blumige Noten. Aromen, die man eigentlich eher bei angereiften Riesling Auslesen erwarten würde. Natürlich nimmt die ohnehin nur sehr leichte Perlage über diese fünf Jahre nochmal weiter ab, aber da der Wein trotzdem noch genug Säure und Mineralik hat, bleibt er frisch und geht nicht in die Breite. Sicherlich einer der großen Vorteile, wenn man die ausdrucksstärkeren Terroirs von Einzellagen auswählt.
Gerade für Moscato d’Asti ist das wirklich nicht mehr sehr günstig, gerade weil der Import nach Deutschland natürlich nochmal aufschlägt, aber probiert es mal selbst aus, denn das ist eine echte Horizonterweiterung. (€€)
Malgrà Asti Spumante
Dies war einer der ersten Weine, die ich nach meiner Ankunft in Asti probieren durfte und mir ist er als spannendster Asti Spumante im Kopf geblieben. Es ist ein Spumante dolce, also ein süßer Schaumwein, erinnert aber aromatisch sehr an den fünf Jahre alten Moscato d’Asti. Er bedient sich der gleichen Ähnlichkeit mit leicht angereiften frucht- bis edelsüßen Rieslingen, nur halt mit deutlich mehr Perlage. Es ist kein großer Wein, aber er sticht doch sehr aus der Gruppe der sehr „klassischen“ Asti Spumante heraus. (€)
Roberto Sarotto Langhe Nebbiolo „Nativo“ 2021
Auch wenn man hauptsächlich für Moscatos eingeladen wurde, so sind die Piemonteser dann doch zu stolz auf ihre anderen Weine. Und womit? Mit Recht. Also zeige ich selbstverständlich auch die Weine anderer Appellationen und Rebsorten.
Nebbiolo ist dabei sicher der berühmteste Vertreter der Region und auch wenn ich während der Reise den ein oder anderen Barolo oder Barbaresco probiert habe, möchte ich hier lieber diesen „einfachen“ Langhe Nebbiolo erwähnen.
Die Nebbiolo-Traube enthält recht viel Gerbstoff, obwohl sie ziemlich dünnschalig ist und in Blindverkostungen deswegen gerne mal mit Spätburgunder verwechselt wird. Je nachdem wie sehr der Winzer dann diesen Gerbstoff auf der Maische extrahiert, desto später sind die Weine meistens erst zugänglich, weil man sonst ein echter Tannin-Freak sein muss, um das wirklich zu lieben. Deswegen begegnen mir tendenziell eigentlich nur Weintrinker_innen, die auf gereiften Nebbiolo stehen. Diesen Eindruck hat die Reise aber definitiv zerstört, denn ich habe einige Langhe Nebbiolos getrunken, die teilweise noch kein Jahr alt und sehr zugänglich waren. Dieser „Nativo“ von Roberto Sarotto ist einer davon. Außerdem bietet er ein sagenhaftes Preis-Leistungs-Verhältnis, was meiner Wahrnehmung nach bei Nebbiolo nicht sehr häufig zu finden ist. (€)
Deltetto Alta Langa Brut Millesimato 2018
Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass mein Schaumweinkonsum sich eigentlich ausschließlich auf besondere Anlässe beschränkt. An Silvester, Hochzeiten, Geburtstagen usw., gibt es dann je nachdem Champagner, Sekt o.Ä. Ich habe zwar einiges an theoretischem Wissen darüber angesammelt, aber was die Trinkerfahrung angeht, hält es sich bei mir sehr in Grenzen. Daran muss ich eigentlich dringend etwas ändern, denn ich habe in diesen wenigen Tagen ansatzweise so viele interessante Schaumweine wie Stillweine probiert. Einen, der besonders herausstach, stelle ich hier mal vor.
Alta Langa ist eine piemonteser Appellation für Schaumweine nach dem Vorbild Champagner. Dieser Brut Millesimato 2018 wird aus Pinot Noir und Chardonnay gekeltert und liegt für 30 Monate auf der Hefe in der Flasche. Obwohl er dadurch die heißgeliebten Briochenoten entwickelt, ist der Wein sehr zitrisch frisch. Auch gerade den Sommeliers in meiner Gruppe gefällt das sehr. Sollte man unbedingt auf dem Zettel haben. (€€€)
Coppo „Pomorosso“ Nizza 2019
Eine meiner großen Entdeckungen während dieser Reise ist ganz klar Barbera. Barbera geht neben dem großen Nebbiolo immer ein wenig unter, dabei hat die Rebsorte echt sehr viel zu bieten. Nicht so gerbstoffbetont, weniger teerig und deutlich saftiger in der Frucht im Vergleich zum Nebbiolo. Barbera ist eigentlich genau das, was in meiner Bubble gerade eher nicht gefeiert wird: fruchtbetont, intensiv und alkoholstark. Wer abseits von Spätburgunder nicht gerne Rotwein trinkt, der wird höchstwahrscheinlich zu Beginn kein Fan von Barbera sein. Barberas sind meist sehr gut jung zu trinken, können aber auch sehr gut reifen …
Der Pomorosso 2019 von Coppo ist kein Barbera d’Asti, sondern stammt aus der Nizza DOCG, welche erst seit 2014 existiert. Dies geschah, da die sich Weinberge rund um die Kleinstadt Nizza Monferrato, durch ihre eisenhaltigen Böden sehr von denen der Langhe Region unterschieden und andere Weine hervorbrachten.
Eine genaue Verkostungsnotiz kann ich für den Wein leider nicht bieten, aber ich weiß noch genau, dass ich ihn verdammt gut fand. (€€€)
Braida – Giacomo Bologna
Ausnahmsweise ist der Inhalt dieser Überschrift kein eigenständiger Wein, sondern gleich ein ganzes Weingut. Das liegt daran, dass der Besuch dort für mich sicher eines der absoluten Highlights dieser Reise war. Das Weingut liegt in Rocchetta Tanaro, südöstlich von Asti. Wenn man die Piemonteser nach dem prototypischen Barbera fragt, erhält man selten eine andere Antwort als „Braida Bricco dell’Uccellone“. Wer selbst mal das Weingut besichtigt, sollte unbedingt nach der inoffiziellen Geschichte des Namens dieser Lage fragen. Vielleicht für den ein oder anderen etwas unter der Gürtellinie, aber trotzdem sehr lustig.
Um die ganze Kollektion zu verkosten, fehlte uns leider die Zeit, aber das, was wir probiert haben, hat mich fast ausnahmslos umgehauen. Vorstellen kann ich aber bedauerlicherweise nicht alle, weshalb ich mir mal zwei Weine herausgepickt habe.
„Limonte“ Gignolino d’Asti DOC 2021
Ich hatte vor dem Besuch beim Weingut noch nie von Grignolino gehört. Aus der Rebsorte werden sehr hellfarbene Rotweine gekeltert, die nicht nur dadurch, sondern auch durch ihren deutlichen, aber sehr feinen Gerbstoff, an Nebbiolo erinnern. Der Wein ist tendenziell noch zu jung, zeigt aber viel Potenzial und gefällt mir auch jetzt schon sehr gut. (€€)
„Bricco della Bigotta“ Barbera d’Asti DOCG 2006
Zum krönenden Abschluss der Rotweine gab es diese Flasche 16 Jahre alten Barbera. Was soll man sagen … Man darf zu Recht anmerken, dass Erkenntnis lecker schmeckt, aber auch abseits davon, dass das mein erster gereifter Barbera war, ist dies sicherlich einer der absolut besten Weine, die ich je probieren durfte. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich wieder keine gescheite Verkostungsnotiz geschrieben habe, weil der Wein einfach sprachlos gemacht hat. Allerdings wurde ich ab einem bestimmten Punkt darauf aufmerksam gemacht, dass ich mehrere Minuten lang nur grinsend dagesessen haben soll. Ich finde, das ersetzt eine ausschweifende Beschreibung tausender Aromen ganz gut. Was ich aber sehr gut im Kopf behalten habe ist, dass der Wein nach mariniertem gegrilltem Fleisch roch. Etwas, das ich so noch nie in einem Wein entdeckt habe. Riesen Stoff! (€€€€)
Den Moscato d’Asti „Vigna Senza Nome“ 21 möchte ich dennoch nicht unterschlagen, denn es war absolut einer der besten Moscatos der Reise. (€)
Cantina Nervi – Giacomo Conterno „Jefferson“ Zero Dosage 2018
Am letzten Abend vor der Rückreise gab es in der „Assetati Enoteca & Wine Bar“ in Asti noch ein allerletztes Highlight. Sparkling Nebbiolo. Mein erster Gedanke dazu war: „Das braucht kein Mensch!“ Eine sehr gerbstoffreiche und eher weniger expressiv fruchtige rote Rebsorte als Schaumwein kann doch gar nicht funktionieren … Oh je, da hab ich mich aber getäuscht.
Als Erstes stellte ich fest, dass es kein roter, sondern ein tieffarbener Rosé-Schaumwein war. Das war schon mal etwas beruhigend, weil ich bisher von roten Schäumern wie z.B. Lambruscos, aber auch dem „La Monella“ frizzante von Braida, noch nicht wirklich überzeugt worden bin.
Vor einigen Jahren übernahm Roberto Conterno vom legendären Barolo-Weingut „Giacomo Conterno“ die Cantina Nervi in der piemontesischen Appellation „Gattinara“. Darüber muss ich eigentlich einen eigenen Blogbeitrag schreiben. Der Wein ist benannt nach Thomas Jefferson, welcher 1787 im Piemont unterwegs war und damals seinen ersten „Gattinara“ probiert. Die Trauben werden nur sehr leicht angequetscht, um nicht zu viel Gerbstoff zu extrahieren. Der Wein wird ohne Dosage gefüllt (1,5g RZ) nachdem er 36 Monate auf der Hefe in der Flasche gelegen hat.
Aromatisch ist das ziemlich markant und stilistisch exakt das Gegenteil zu Asti Spumante. Er hat durch die traditionelle Flaschengärung ein bisschen typische Briochenoten mitbekommen, ist aber davon abgesehen etwas völlig anderes gegenüber Champagner, Alta Langa usw. Gehört für mich in die Kategorie „Horizonterweiterung“. Da von diesem Wein allerdings nur knapp unter 3000 Flaschen produziert werden, ist das preislich wirklich kein Schnapper. Wer kann, der sollte unbedingt. (€€€€)
Fazit
Meine erste Weinreise. Eigentlich hätte ich mir das nicht besser vorstellen können. Fantastische Organisatorinnen und Reiseleiterinnen, eine unglaublich schöne Landschaft, grandiose Weine, grenzgeniales Essen, tolle Gastgeber und größtenteils sehr nette Mitreisende. Was will man da mehr? Nach vier Tagen, in denen man nur mit dem Besten dieser kulinarisch unglaublichen Region beworfen wird, musste ich mich in Deutschland angekommen erstmal mit bestenfalls mittelmäßigem Fastfood wieder etwas erden. Aber das war nicht mein letztes Mal im Piemont. Dafür bin ich jetzt viel zu neugierig auf mehr.
Offenlegung: Es handelt sich bei diesem Beitrag nicht um bezahlte Redaktion. Dennoch bin ich auf diese Reise eingeladen worden und meine Anreise, Unterkunft und Versorgung wurden übernommen.
Grazie mille a Joy (IEM Italia) e Martina (Consorzio dell’Asti).