Gleiche Rebsorten, gleicher Jahrgang (und auch ähnlicher Name), aber anderes Terroir. Letzte Woche hatte ich zwei Weine im Glas, die ich unbedingt gegeneinander verkosten wollte. Eigentlich ist eine Cuvée aus Sauvignon Blanc und Chardonnay nicht sonderlich typisch für irgendeine Region, aber kann sie trotzdem spannende Ergebnisse liefern, und wenn ja, wo? Um ehrlich zu sein: Gleichwertige Gegner sind die beiden Weine nicht wirklich, aber wo auf der Welt gibt es denn regelmäßig Weine aus einem Verschnitt dieser beiden Rebsorten? Dadurch ist es eher eine Studie darin, wie unterschiedlich man mit den gleichen Rebsorten an zwei unterschiedlichen Standorten mit unterschiedlichen Ideen arbeiten kann. Ich bin ganz gespannt.
Die Weine
Caparzo Le Grance 2018
Die Toskana ist nicht bekannt für ihren Weißwein. Im Land von Chianti, Brunello und Supertoskaner wächst eigentlich nur bestenfalls mittelmäßiger Weißwein. Abseits von Ornellaia Bianco und Bibi Graetz‘ Ansonicas denke ich bei weißer Toskana nur an Vermentino, der soliden Gutswein liefert, oder an Vernaccia, der leider gegenüber der Schönheit seiner Herkunft San Gimigniano ziemlich abschmiert. Darüber hinaus gibt es dann eigentlich nur noch Experimente mit internationalen Rebsorten. Ein solches Experiment ist der erste Wein meines kleinen battles.
„Grance“ waren im Mittelalter befestigte Speisekammern in der Region Siena. Der Wein hat diesen Namen bekommen, weil eins dieser gemauerten Bauwerke in einem Weinberg des Weinguts Caparzo steht. Es ist ihr Versuch eines großen Weißweins in der Rotweinrepubik Toskana. Der Wein ist eine Cuvee aus 75% Chardonnay, 20% Sauvignon Blanc und 5% Traminer. Mit 24h Maischestandzeit, Gärung im kleinen Holz, Batonnage, Ausbau im Barrique und BSA schielt der Wein ganz stark in die Kategorie „Dicke Brummer“. Die Reben stehen auf Sand und Lehm.
Weedenborn Grande Réserve 2018
Seit Familie Knipser Ende des letzten Jahrtausends den Sauvignon Blanc in Deutschland groß gemacht haben, ist viel passiert. Neben Schnaitmann, Aldinger, von Winning und natürlich Oliver Zeter führt Gesine Roll die deutsche Spitze der Rebsorte an. An den seichten Hügeln des Wonnegaus wachsen ihre Weine in einem deutlich kühleren Klima als rund um Caparzos steinerne Lebensmittelburg. Gesine schafft es mit unglaublich meisterlicher Präzision den sehr sehr kurzen Zeitraum der perfekten Reife beim Sauvignon Blanc zu treffen. Wie kaum eine andere Rebsorte, hat Sauvignon die Eigenheit je nach Reifegrad in eine von zwei Arten zu kippen. Früh geerntet behält er sich eine frische Säure, eine tolle Frucht, die in Richtung Stachelbeere geht, aber vor allem diese ganz typische Grasigkeit bis hin zur grünen Paprika. Diesen Stil findet man meist in Übersee, wobei hier Marlborough, Neuseeland definitiv heraussticht. Ein paar Tage überreif geerntet wird Sauvignon sehr schnell tropisch bunt in der Frucht und geht in eine deutlich üppigere Richtung. Soweit ich weiß ist das kein explizit angestrebter Stil irgendwo, sondern eher eine Falle für die Winzer, die nicht gut im Erntepläne schreiben sind bzw. nicht penibel ihre Trauben kontrollieren.
Die Grande Réserve entsteht aus einer Selektion der besten Fässer für den Sauvignon Blanc Réserve und dem Chardonnay Réserve. Diese liegen für 18-20 Monate im Fass und bekommen dann nochmal zusätzlich ein paar Monate. Gesine Roll selbst berichtet, dass es kein Vorbild für den Wein gab, aber sie die Idee hatte, dass sich die beiden Rebsorten doch gut ergänzen würden. So entstand ihr größter Wein: Eine Cuvée aus 60% Sauvignon Blanc und 40% Chardonnay. Typisch für den Wonnegau wächst der Wein auf Kalkstein und Lehm, was deutlich ähnlicher zu den klimatischen und geologischen Gegebenheiten der Heimatregion des Sauvignon Blancs an der Loire ist. Da die Winzerin auf viel Neuholz, kleinere Gebinde und ordentlich Batonnage verzichtet, steht bei diesem Wein deutlich stärker die Herkunft im Vordergrund als bei seinem Gegner.
Im Glas
Le Grance: Die erste Nase ist opulent, gelbfruchtig, leicht tropisch, mit einer grünlich-würzigen und leicht medizinalen Note im Hintergrund, die ich nicht viel genauer beschreiben kann. Dann kommt Holz in Form von einem Hauch Vanille, Toast und etwas Salzkaramel. Wenn man weiß, dass da ein kleiner Anteil Traminer mit drin ist, findet man auch die Rosenholznote, aber diese ist überhaupt nicht aufdringlich. Am Gaumen kommt dann das was man erwarten durfte: buttrig, cremig, milde Säure, welche dennoch irgendwie leicht grünlich wirkt. Der Wein ist echt ein Brecher, dem es leider etwas an Finesse mangelt. Dennoch würde ich nicht so weit gehen und ihn wirklich „fett“ nennen, denn gerade im Abgang kommt eine schöne, leicht bittere Phenolik, die dem Wein wieder etwas Kontur gibt. Auf diese Art klingt er auch aus und hält sich wirklich noch lang nach dem Schlucken am Gaumen. Mit zwei Tagen im Kühlschrank harmonisiert sich dieses Kraftpaket etwas besser und er gefällt mir inzwischen sehr gut. Allerdings wäre das für meinen Gaumen noch nichts aus der Kategorie „Großer Wein“. Dennoch deutlich besser als alles andere was ich sonst bisher an Weißwein aus der Toskana getrunken habe. (€€)
Grande Réserve: Beim Öffnen bricht der Korken durch, aber ich schaffe es doch irgendwie das Fiasko zu abzuwenden. Im Glas belohnt der Wein dann meine chirurgische Präzision (Ironie off). Mein Gott ist das grandios. Keine tropische Überreife, keine grüne Paprika sondern reifer grüner Apfel, Stachelbeere, Johannisbeere, etwas frisches Gras – Sauvignon Blanc in Reinform. Während anfangs diese wunderschöne hedonistische Frucht dominiert, ziehen dahinter dunkle, mysteriöse Wolken aus Tabak, Toast und gerösteten Haselnüssen auf. Am Gaumen zeigt sich die große Stärke dieses Weins: Er ist verhältnismäßig leise und scheut sich nicht davor einfach unglaublich trinkanimierend zu sein. Hier muss nichts mit der Brechstange bewiesen werden – der Wein spricht für sich. Eine klare Frucht, eine brilliante saftige Säure und minimales Schmirgeln auf der Zunge. Aromatik vom Chardonnay? Fehlanzeige. Aber dennoch bringt dieser kleine Anteil etwas zusätzlichen Körper, etwas mehr Kraft. Ich bin begeistert, denn genau so liebe ich Sauvignon Blanc. Im letzten Jahr war es von Winnings 500 Réserve, dieses Jahr ist es Weedenborn. (€€€€)
Fazit
Auch im Vorhinein war mir schon klar, dass das wahrscheinlich kein faires Battle wird. Allein der Preisunterschied von ca. 15€ zu ca. 50€ pro Flasche ist gewaltig. Aber auch abseits davon waren die Weine so unglaublich unterschiedlich, dass man schon gut in der Blindverkostung sein muss um einen Zusammenhang herstellen zu können. Der Le Grance ist ein sehr kräftiger Weißwein, der die kritischen Stimmen (meine eingeschlossen) verstummen lassen will, welche die Toskana als Weißweinregion belächeln. Mich kann er da leider nicht umstimmen. Das ist zweifelsfrei sehr guter Wein, aber für das Prädikat „groß“ fehlen mir Frische und Herkunftsausdruck. Als Toskana IGP ist er nicht an die Regulierungen anderer Weißwein-DOCs der Region gebunden. Dadurch können die Winzer und Kellermeister von Caparzo uneingeschränkter ihre Ideen umsetzen. Für mich definiert sich großer Wein nur einfach nicht so stark über Holzfassausbau. Das heißt nicht, dass ich nicht auch Weine liebe, die zeigen, dass da jemand offensichtlich sehr gut mit Barriques, Tonneaus, etc. arbeiten kann, aber das sollte nicht die Essenz des Weines ausmachen. Vielleicht tue ich dem Wein auch unrecht und er ist in seiner kräftig, warmen, buttrigen Art total typisch für die Region, nur dann ist das möglicherweise einfach nicht meine liebste Spielweise von Chardonnay bzw. Weißwein generell.
Der Weedenborn trifft im direkten Vergleich viel mehr meinen Geschmack. Während der Le Grance eher ein Chardonnay mit etwas Sauvignon ist, um dem kräftig-buttrigen Wein etwas Säure, frische und Frucht zu geben, so ist die Grande Réserve ein Sauvignon Blanc gestützt von Chardonnay um den filigraneren Wonnegauer etwas körperreicher zu machen. Natürlich ist auch hier Holz im Spiel gewesen, sonst würde er nicht diese mysteriös-dunkle-tabakige Art entwickeln, aber es spielt nicht die erste Geige. Im internationalen Vergleich ist der Wein m.M.n. sehr fair bepreist und auch in der Gegenüberstellung mit den großen Wonnegauer Riesling GGs kann er mehr als nur mithalten. Wenn ich könnte, würde ich mir davon ordentlich was in den Keller legen. Wirklich grandioses Zeug.
2 Antworten auf „Grande, Grance, Grandios“
Hallo Gero,
der Weedenborn ist wirklich echt stark und hat mich beim ersten probieren auch schwer beeindruckt. Ich hatte mit seinerzeit eine Kiste vom2017er geholt. Welchen Jahrgang hattest Du in der Verkostung?
Viele Grüße
Michael
Hallo Michael,
ich hatte den 18er. Beim Riesling bin ich ja bei dem Jahrgang gebrandmarkt, aber hier gab’s keinerlei Hitzeprobleme.
Liebe Grüße,
Gero