Ich war in der letzten Woche in Würzburg. Natürlich bin ich hauptsächlich hingefahren, um meine Freundin zu besuchen, die dort studiert, aber trotzdem ist man ja nicht jeden Tag direkt in einem Weinbau-Epizentrum unterwegs. Daher konnte ich dann doch nicht anders als an einem Nachmittag einen Abstecher zu einem der großen Würzburger Weingüter zu machen. Beim letzten Mal war ich im Weingut am Stein als dort gerade deren alljährliches „Wein am Stein“ Musikfestival lief. Von der Art und Weise wie dieses Weingut sich präsentiert, was sie an innovativen Ideen haben und was sie aber auch für teils überragende Weine machen kann ich vielleicht mal wann anders erzählen. Für mich ging es jedenfalls diesmal ins größte Silvaner-Weingut der Welt, ins Juliusspital.
Wie der Name schon verrät, ist das Weingut nicht nur Weingut, sondern betreibt zugleich auch noch ein Krankenhaus. So kann man das als Weinfan zumindest auffassen. In Wahrheit ist das Weingut nur eine Abteilung der gesamten Stiftung Juliusspital. Darüber hinaus gehören noch u.a. ein Krankenhaus, ein Hospiz und ein Forstbetrieb dazu.
Masse statt und Klasse
Nach dem Kloster Eberbach mit knapp 230 Hektar ist das Juliusspital mit 180 Hektar Weinberge das zweitgrößte Weingut Deutschlands. In der Wein-Bubble, in der ich mich tendenziell befinde, werden Weingüter mit viel Fläche, bei der nicht eine einzelne Familie in der Lage ist, den gesamten Betrieb zu schmeißen, immer relativ schnell mit bösem Industriewein gleichgesetzt. Man versteht zwar irgendwie wo der Gedanke herkommt, aber diese Denkweise hat ab einem bestimmten Grad nichts mehr mit der ursprünglich liberalen und progressiven Intention zu tun und mutiert hier und da zu einer Art „sub-5 ha-Fetischismus“. Denn, dass die Weine vom Juliusspital qualitativ ganz weit oben mitspielen, merkt man schnell. Ich denke, da ist noch viel Nachholbedarf, was Kommunikation und Außendarstellung angeht.
Der Silvaner
Wie schon das ein oder andere Mal erwähnt, bin ich ein großer Rieslingfan. Allerdings bin ich ja auch mit der Einstellung unterwegs, dass man bloß nicht denken sollte, man sei am Ziel angekommen und müsse deswegen nichts mehr lernen und auch nichts mehr Neues probieren. Deswegen bin ich mit der Devise in die Probe beim Juliusspital gegangen, dass ich mich hauptsächlich auf die Silvaner fokussieren will.
Silvaner hat für die meisten Weinanfänger das Problem, dass er häufig zwar genauso spektakulär gut sein kann wie der Riesling, er aber gerne auch mal nicht ganz so charmant mit viel Frucht und ein wenig Restsüße um die Ecke kommt. Außerdem ist er außerhalb Frankens auch nicht ansatzweise so präsent und populär wie der Riesling. Das alles, und noch einiges mehr, führt dazu, dass Silvaner, zumindest bei mir, erstmal völlig hinten runtergefallen ist. Das gilt es nun zu ändern.
Terroirunterschiede
Der ominöse Begriff … Terroir. Der einstmalige Gedanke, dass ein Wein von seinem Ursprungsort geprägt wird, gewinnt immer mehr an Popularität. Dass man einen Wein lieber nach der Qualität seiner Herkunft bewertet und nicht anhand seines Mostgewichts ist das, was der VDP schon seit quasi Jahrzehnten versucht zu etablieren. Dies ist inzwischen seit Ende 2020 auch im allgemeinen deutschen Weinbau gesetzlich verankert. Wen das Thema mehr interessiert, kann sich gerne hier weiteren Input holen.
In Franken ist man jedenfalls ganz stolz auf die relativ klar abgrenzbaren Bodenformationen, die das Anbaugebiet in die drei Zonen Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper unterteilen. Jenseits der Großen Gewächse ist das Juliusspital in vier Ersten Lagen begütert. Davon liegen zwei in Würzburg, in der Muschelkalk-Zone, und zwei in Iphofen bzw. in Rödelsee, welche zum Keuper gehören. Hier mal grafisch dargestellt. Grundsätzlich ist es meist recht schwer in einer Blindprobe zu behaupten, dass dieser Wein zwangsläufig auf Muschelkalk gewachsen sein muss, da ein Wein von so vielen anderen Aspekten beeinflusst werden kann, dass diese pauschale Aussage meist schwer zu halten ist. Allerdings habe ich inzwischen schon mehrfach bei Weingütern, die unterschiedliche Terroirs bewirtschaften, deutliche geschmackliche Unterschiede schmecken können. Jedoch immer im Kontext des Jahrgangs. Bestimmt gibt es zwar auch Verkoster, die einen Muschelkalk-Silvaner aus 2019 klar als solchen erkennen können und dies auch bei einem Keuper-Silvaner aus 2021 wiederholen könnten. Für mich ist aber der Unterschied immer am besten ersichtlich, wenn ich von einem Jahrgang alle Weine nebeneinander probieren kann. Und auch diesmal haben sich die Würzburger Weine erstaunlich eindeutig von den Iphöfer und Rödelseer unterschieden. So was ist dann schon spannend und gibt einem wieder ein bisschen Hoffnung was die Existenz der schmeckbaren „Bodentypizität“ angeht.
Der Wein
Von den vier Silvanern aus den Lagen Würzburger Abtsleite, Würzburger Stein, Iphöfer Kronsberg und Rödelseer Küchenmeister hat mir der Iphöfer am meisten imponiert.
Ich muss nur zwischendrin mal kurz loswerden, dass ich jene Leute, die aus Prinzip lieber z.B. Burgund und nicht Deutschland kaufen, manchmal ganz gut verstehen kann. „Gevrey-Chambertin Clos-Saint-Jacques“ klingt dann doch einfach schöner als „Rödelseer Küchenmeister“.
Nun denn, heute gibt es Juliusspital Iphöfer Kronsberg Silvaner 2021. Wenn das Weingut es wollte, könnten sie wahrscheinlich seit dem letzten Jahr auch 1G (für Erstes Gewächs) aufs Etikett schreiben, allerdings ist das hier noch nicht der Fall. Der Wein ist mit 2,5 g/l standesgemäß fränkisch trocken und hat sich dank des vergleichsweise kühlen Jahrgangs 2021 mit knapp unter 7 g eine gute Säure behalten. Er wird spontan im großen Holz vergoren und liegt bis zur Füllung im April des nächsten Jahres auf der Vollhefe.
Der Wein
Die genaue Menge an zugesetztem Schwefel kenne ich nicht, aber sie ist scheinbar gering genug selbst bei diesem blutjungen Wein nicht die vielen Facetten zu verdecken. Etwa 20 Minuten nach dem Öffnen präsentiert er sich wahnsinnig gut. Die Nase ist typisch, mit dieser klassischen Heu- und Strohnote, heller Zitrusfrucht und einem klein wenig tropischen Aroma. Am Gaumen ist das aber nochmal um einiges spektakulärer. Der Wein ist so unglaublich fein und filigran zu Beginn und entwickelt nach hinten raus so viel Spannung, die sich extrem lange hält. Er ist stilistisch völlig anders als das Große Gewächs aus dem benachbarten Julius-Echter-Berg, da ihm jegliche Üppigkeit fehlt, aber gerade in dieser sehr leisen, aber druckvollen Stilistik ist das richtig, richtig gut. Wahrscheinlich schmeckt das in gereift nochmal anders, aber um zu beurteilen, ob das auch noch besser werden kann fehlt mir leider die Erfahrung. Was auf jeden Fall gesagt werden muss, ist, dass, da Franken nicht ansatzweise so gehyped wird wie z.B. die jungen dynamischen Rheinhessischen und Pfälzer Winzer, die Weine im nationalen Vergleich unglaublich preiswert sind. Für den Preis von Ersten Lagen bekommt man beim ein oder anderen pfälzer Kultwinzer gerade noch so den Gutswein. Um auf die provokante Eingangsfrage einzugehen, ja, Silvaner steht, gerade was die Anzahl an Fürsprechern angeht, deutlich im Schatten des Riesling. Aber qualitativ ist das meiner Meinung nach nicht der Fall. Es ist ein doch sehr markanter anderer Stil von Weißwein, aber groß können beide sein. Ich muss definitiv da dran bleiben, auch wenn meine Liebe für den Riesling trotzdem ungebrochen ist. (€)
Wen das anspricht, dem würde ich empfehlen, mal selber hinzufahren. Denn abgesehen von dem ganzen guten Wein, ist Würzburg auch noch eine echt schöne Stadt.
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