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Weintagebuch

Ist der Hype berechtigt?

Die Gutswein-Problematik

Man sollte seine Vorurteile immer mal wieder überprüfen. Vor ein paar Wochen habe ich in meinem Beitrag über den Berg Roseneck von Breuer noch erzählt, dass ich Riesling weniger gern als Gutswein trinke, da er mir zum einen in der Kategorie häufig zu wenig Druck entwickelt. Zum anderen hat die Rebsorte an sich einfach gelegentlich das Problem, dass die kräftige Säure irgendeinen Puffer braucht. Bei Lagenweinen gelingt dies nach meiner Erfahrung häufig durch interessante und charaktervolle Eigenheiten des Terroirs, aber bei einfacheren Gutsweinen kommt dann normalerweise ein bisschen dienliche Restsüße hinzu. Wenn Winzer sich jetzt aber vornehmen einen restlos trockenen Gutsriesling zu machen, tue ich mich häufig schwer damit, da selbst mir als bekennendem Fan von trockenem Riesling, das meist zu sauer wird. Florian Lauer vom Weingut Peter Lauer von der Saar sprach im Kontext eines Podcasts rund um diese Thematik mal von „grünlicher Herbe“ und das kann ich sehr gut nachvollziehen.

Der Wein

Der Wein, mit dem ich hier meine leichten Aversionen gegen Gutsrieslinge getestet habe, ist der Riesling „vom Löss“ 21 vom Weingut Seckinger aus Niederkirchen. Die drei Brüder Seckinger sind gerade der absolute heiße Scheiß in der deutschen Weinszene und da ich bisher noch nichts von ihnen probiert habe, passte der Wein jetzt wie die Faust aufs Auge. Die Trauben bekommen etwas Maischestandzeit, der Wein wird dann spontan vergoren und ruht dann noch länger auf der Vollhefe. Ich weiß nicht genau welcher Aspekt des Weins dafür verantwortlich ist, dass er durch die Qualitätsweinprüfung fällt, bzw. ob die Jungs ihn überhaupt dort anstellen. Lange Rede kurzer Sinn, er wird als Pfälzer Landwein gefüllt.

Im Glas

Der erste geruchliche Eindruck ist erstmal richtig reduktiv aka schweflig, streichhölzig. Man könnte sagen „Das polarisiert.“ aber mir gefällt das sehr gut. Dahinter kommt dann eine schöne, aber leicht mostige Frucht und eine kühle Note. Auch wenn man das jetzt natürlich noch weiter ausdifferenzieren könnte, ist es immer noch ein Gutswein. Aromatisch eher einfach, aber trotzdem sehr gut. Am Gaumen zeigt sich meiner Meinung nach die größte Stärke des Weins. Denn trotz 8g Säure ist das unheimlich charmant bis hin zu fast etwas cremig weich. Gleichzeitig hat er eine Saftigkeit, die einem das Glas so unglaublich schnell wieder an den Mund setzt. Das ist richtig schön fruchtig, wie man sich das von einem blutjungen Gutsriesling vorstellt, ohne dabei wirklich süß zu schmecken. 4g Restzucker hat dieser Wein zwar auch, aber ich würde behaupten, dass er mit 2g auch noch so trinkig dastehen würde. Hendrik Thoma nennt das „Niagaratrinkfluss“. Hier teile ich seine Meinung definitiv.

Ob der Hype berechtigt ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich kann aber jetzt nach diesem tollen Gutswein auf jeden Fall nachvollziehen, warum es ihn gibt. Auch wenn ich Preise lieber nicht en detail diskutiere, ist dieser Riesling für das Geld eine absolute Empfehlung. Aber nur, wenn man sich nicht von Spontinase, Reduktion und mostiger Frucht abgeturnt fühlt. (€)

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