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Meinung Weintagebuch

Moselriesling und das Geld

Im herkömmlichen Sinn gibt es ja so etwas wie “gebrauchten” Wein gar nicht. Andernfalls würde man entweder leere Flaschen oder bestenfalls mittelmäßigen Essig bekommen. Und auch wenn man denn ungeöffnete Flaschen mit Vorbesitzer kauft, ist da immer ein etwas größeres Risiko dabei, als wenn man direkt vom Weingut oder über einen Händler mit guter Provenienz kauft. Aus diesen Gründen habe ich mich bisher immer aus Online-Auktionen rausgehalten.

Wein auf ebay

Neulich hat es mich dann aber doch mal in den Fingern gejuckt und ich wollte mal sehen, was man denn z.B. über ebay so an Weinen bekommen kann. Und ich war überrascht. Ich weiß nicht, ob diese Weine allesamt aus Weinkellerauflösungen kommen oder der ein oder andere Sammler irgendwann begreift, dass er die zehntausenden Flaschen zu Lebzeiten gar nicht alle trinken kann, aber allein, dass man eine größere Auswahl von gereiften bis wahrscheinlich toten Weinen finden kann, war schon spannend genug.

Ich habe persönlich nicht besonders viel Erfahrung mit alten Weinen, daher funktioniert meine Suche dabei ein bisschen nach dem Prinzip “trial and error”. So bin ich darangegangen und habe ein bisschen drauflosgeboten…

“Niewo” würde klagen

Einen der ersten Zuschläge bekam ich bei diesem Wein, den ich heute im Blog vorstellen möchte. Wehlener Sonnenuhr Riesling Auslese * 1999 vom Weingut Kerpen aus Wehlen ist jetzt nicht direkt ein Wein mit einem riesigen Rennommee, aber gerade dieser Aspekt kam mir in diesem Fall sehr gelegen. Normalerweise versuche ich die exakten Kaufpreise der Weine im Blog nicht zu thematisieren, aber hier komme ich nicht wirklich drumherum. Ich habe für diesen fast 24 Jahre alten Wein 8.50 € zzgl. Versandkosten gezahlt.

Einerseits ist das für mich als Amateur mit wenig Erfahrung mit alten Weinen ein Glücksfall, andererseits mal wieder ein gefundenes Fressen für Roman Niewodniczanski und sein gebrochenes Herz bezüglich der mangelnden internationalen Wertschätzung des Moselrieslings. Und obwohl der Student in mir jedes Mal ein bisschen zusammenzuckt, wenn der Mann hinter van Volxem mal wieder von seinen Erlebnissen mit sehr reichen Weintrinkern erzählt, die seinen Weinen keine Beachtung schenken, weil man sie noch für einen zweistelligen Betrag kaufen kann, so kann ich die grundsätzliche Haltung, gerade bei dieser Auslese, mal gut nachvollziehen. Denn auch wenn ich jetzt schon berichten kann, dass dieser Wein definitiv kein Anwärter für 100 Punkte ist, so ist ein solcher Preis an sich trotzdem einfach dem Produkt nicht gerecht.

Der Wein

Ich habe Matthias Kerpen im letzten Jahr mal durch Zufall bei ConceptRiesling in Düsseldorf kennengelernt, wo er uns einen wunderschönen 21er Kabinett feinherb präsentiert hat. Diesen 1999er wird er damals sicherlich nicht selbst gemacht haben, aber trotzdem hat mir die Begegnung allein schon mal ein sehr guter Bild des Weinguts vermittelt. Das Weingut bewirtschaftet knapp unter zehn Hektar Weinberge an der Mittelmosel, von denen 95% mit Riesling bestockt sind. Eigentlich kann man anhand der Lagen schon mal pauschal davon ausgehen, dass hier nichts mit der Maschine gelesen wird, aber ich erwähne es hier trotzdem mal pro forma. Spannend finde ich, dass die Familie Kerpen zwar keine ökologische Zertifizierung hat, dafür aber mit dem sogenannten “sanften Rebschnitt” arbeitet – eine Vorgehensweise, die meiner Meinung nach viel zu häufig komplett missverstanden und folklorisiert wird. Dazu werde ich jedoch in einem separaten Beitrag genauer eingehen. Die Weine werden im gebrauchten großen Holz ausgebaut und, so weit wie möglich, spontan vergoren (wer den Text auf der Webseite des Weinguts anders liest, lässt mich das bitte wissen).

Abgesehen davon, dass 1999 mein Geburtsjahrgang ist, ist mir der Jahrgang nicht als besonders guter in Erscheinung getreten. Zum Glück reifen fruchtsüße Sachen auch in mittelmäßigen Jahrgängen gut.

Im Glas

Der Korken ist in einem überraschend guten Zustand, was mir bei so alten Weinen immer gelegen kommt, denn ich habe keinen Federkorkenzieher. Der Wein ist frisch geöffnet sofort präsent, profitiert dennoch von etwas Luft. Er wirkt unfassbar jugendlich auf mich. Also wenn mir jemand gesagt hätte, dass er von z.B. 2012 sei, hätte ich das ziemlich sicher geglaubt. Was mich sehr überrascht ist, dass dieser Wein, der fast ein Vierteljahrhundert alt ist, quasi kein Petrol hat. Er ist darüber hinaus kein bisschen firn, obwohl er die ein oder anderen Tertiärnoten schon parat hat. Diese “Einstern-Auslese” wird höchstwahrscheinlich kaum Botrytistrauben mit drin haben, denn eine wirklich “cremige” Textur + viel Honignoten kann ich nicht ausmachen. Für mich ist das geschmacklich gerade absolut an einem Punkt in der Reife angekommen, wo man gut drauf wetten könnte, dass der Wein sicher nochmal 20 Jahre hält, aber es definitiv nicht muss. So ist das gerade einfach ein wunderbarer süßer Leckerbissen. (€)

Meinem Eindruck nach verkaufen sich alte Kabis und teilweise auch noch Spätlesen gerade wie geschnitten Brot. Alle wollen die leckeren “Limoweine” auch in gereift im Keller haben und kaufen deshalb alles leer. Auslesen bleiben dabei irgendwie immer auf der Strecke, wodurch man deutlich einfacher an reife Auslesen als an reife Kabis kommt. Auch über die letzten Versteigerungen des Goldenen und des Bernkasteler Rings hat man ganz gut gesehen, wie viel beliebter diese leichten Weine gerade sind. Einerseits denkt man, die Geschmäcker der Weintrinker würden eher trockener, andererseits werden die meisten Kabis heutzutage tendenziell eher süßer und erinnern eher an abgestufte Spätlesen. Ich kann den Trend grundsätzlich gut nachvollziehen, denn weniger Süße und mehr Säure bringt schon mehr Spannung in die Weine – und trotzdem haben schön gereifte Auslesen absolut ihre Berechtigung – gerade wenn sie vielleicht eher weniger Botrytisanteile haben. Naja, solange alle andern die Kabinette wegkaufen, schnappe ich mir einfach ein paar reife Auslesen und muss sogar eher weniger dafür ausgeben.

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