Ich beginne das Jahr mit zwei Weinen, die meine Ziele eines off-dry january einerseits befördern und andererseits bombardieren. Los geht’s!

Die Weine
Leitz „Eins-Zwei-Zero“ Riesling zero alcohol
Ich war mir unsicher, ob ich diesen Wein/dieses Getränk überhaupt hier besprechen soll. Hauptsächlich war mein Gedanke dabei, dass ich ja ziemlich „late to the party“ bin, denn dieser entalkoholisierte Wein ist nicht nur einer der wenigen, die auch ein bisschen Anspruch haben, sondern er ist darüber hinaus auch schon länger auf dem Markt und scheint recht beliebt zu sein. Aber ich stand gestern im Edeka vor der Flasche und dachte mir: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“. Also, was kann er denn nun?
Erste Überraschung: Es riecht tatsächlich gewissermaßen nach Wein. Das hatte ich gar nicht mal so unbedingt erwartet. Zweite Überraschung: Ich finde, man kann erkennen, dass das mal Rheingau Riesling war. Ich persönlich trinke sehr gerne Rheingau Riesling (wenn er denn gut ist) und ich finde manche aromatische Eindrücke hier wieder. Man muss zwar schon ehrlich sagen, dass das jetzt aromatisch nicht super komplex ist, aber ich hätte es mir schlimmer vorgestellt. Ein bekannter junger deutscher Weininfluencer probiert den Wein in einem Video und beschreibt die Nase sogar als „etwas mineralisch“. Bei seiner Assoziation zu Zitrusfrucht und auch beim grünen Apfel gehe ich noch mit, aber das „Mineralische“ zeigt sich bei mir eher als Reifenlager. Nicht falsch verstehen, ich mag den Geruch von Gummiabrieb, aber ich gehöre auch zu den Leuten, die an der Tankstelle gerne aussteigen um mal durchzuatmen.

Am Gaumen zeigen sich dann aber irgendwann auch die Grenzen dieses Weines. Denn aufgrund der Tatsache, dass Alkohol nicht nur Geschmacksträger, sondern auch eine gewisse Süße hat, muss man bei entalkoholisiertem Wein zwangsläufig mit deutlich Restzucker arbeiten um gegen die Weinsäure (7,5g/l in diesem Fall) anzukommen. Das bedeutet, dass dieser „Wein“ etwa 38g Zucker auf den Liter hat. Das ist zwar immer noch weit entfernt von den Zuckerwerten normaler Traubensäfte, aber man muss schon Kabi mögen um diesen Wein trinken zu können. Wer wirklich nur auf trockenen Wein steht, für den ist das hier nichts. In einer Sache muss ich dem Kollegen in dem YT-Video aber recht geben: In der Nase hätte man mich blind probiert hinters Licht führen können. Geschmacklich merkt man schon, dass dem Wein irgendwie die Seele fehlt, denn da ist einfach dieser „weinige“ Kern nicht vorhanden. Aber rein vom Geruch her könnte man das für Wein halten. Preislich liegt der Wein so ziemlich auf dem gleichen Niveau wie Johannes Leitz‘ Gutsrieslinge, die er für Aldi macht, was man jetzt nicht direkt als „billig“ bezeichnen würde, aber im Kontext der fine wine-bubble ist das schon ziemlich erschwinglich. Und einen Vorteil hat dieser Wein einfach: Ich müsste mir keine Gedanken machen, wenn ich alleine eine ganze Flasche davon leermachen würde. (€)
Az. Agr. LaLú Barbera d’Alba 2021
Eigentlich wollte ich mit einem Ortsriesling in das Jahr starten, aber dieser präsentierte sich irgendwie nicht so gut wie ich es mir erhofft hatte. Und da ich es lieber vermeide hier über uninteressante Weine zu schreiben, habe ich mich dann einfach umentschieden. Außerdem gilt der Leitz ja theoretisch auch als Riesling. Stattdessen präsentiere ich hier den wahrscheinlich begeisterndsten Kirschsaft des Jahres.
Wer selbst ein Weingut gründen will tut dies ja eigentlich eher in einer Ecke in der man sich vielleicht noch nicht so sehr mit Tradition und Image herumschlagen muss. Darüber hinaus sind eher unbekanntere Regionen natürlich auch angenehmer was die Kosten für Land angeht. Aber wer sich traut im Piemont etwas neu zu gründen, tut das mit ganz viel Leidenschaft und einer konkreten Idee. LaLú steht für die beiden Winzerinnen Lara und Luisa, die einen sehr filigranen Stil im Piemont prägen. Ganz schonend werden Barbera und Nebbiolo verarbeitet ohne auf eine krasse Gerbstoffextraktion durch lange Maischestandzeiten oder einen deutlichen Neuholzausbau zu setzen. Das erzeugt einen unglaublich schönen, leichten (aber nicht kraftlosen) Stil, den man bestimmt auch als „feminin“ bezeichnen könnte. Irgendwie ärgern mich diese Definitionen über Geschlechter immer ein bisschen, aber im Vergleich zu einem Wein mit Massen von Gerbstoff und sehr viel Alkohol kann ich das dann doch wieder verstehen. Ich versuche es trotzdem lieber zu vermeiden. Gelernt haben die beiden unter anderem bei Comtes-Lafon im Burgund, als auch bei Trediberri und Conterno Fantino. Sie sind damit trotzdem die „new kids on the block“, haben aber trotzdem schon einiges an Erfahrung sammeln können.

Ich mag diesen Barbera d’Alba unglaublich gerne. Der erste Eindruck täuscht aber tatsächlich sehr. Zu Beginn hat der Wein eine seltsame Würze, die man eigentlich eher von Glühwein als von Barbera kennt. Mit ein paar Minuten im Glas schwimmt er sich aber frei und macht Platz für diese Massen an Kirsche, die mich absolut begeistern. Vielleicht ein bisschen Pflaume dabei, aber eigentlich ist das fast nur Kirsche. Am Gaumen bin ich dann endgültig Fan. Diese Präzision in dieser süßen Kirschfrucht kannst du nicht toppen. Einen so saftigen Wein hatte ich seit dem Vinas Mora Andreis nicht mehr. Kaum Gerbstoff, dafür eine hohe Säure, glasklare Frucht und wunderbar integrierte 14,5% Alkohol ergeben einen Wein, der mal wieder diesen Reflex von „Ich-setz-jetzt-die-Pulle-an-den-Hals“ auslöst, was sich natürlich mit meinem Plan nach möglichst wenig Alkohol im Januar gar nicht verträgt. Also trinke ich alle paar Tage mal ein Glas und erfreue mich an diesem wunderschönen Wein, der auch als kleine Zugabe zum Gulasch eine gute Figur macht.
Das ist kein großer Wein, ich will euch jetzt auch nichts vormachen, aber in der Kategorie „Trinkwein“ wirklich schwer zu schlagen. (€€)