Wein und Klimazonen
Laut einschlägigen Lehrbüchern kann Weinbau nur zwischen dem 40. und 50. Breitengrad auf der Nordhalbkugel bzw. dem 30. und 40. auf der Südhalbkugel betrieben werden. Jedoch kratzt ein globales Phänomen seit Jahren beständig an diesem Statement.
Spätestens seit der Dreierserie 2018, 2019 und 2020, den heißesten Sommern seit der Datenerfassung, erkennen immer mehr Verantwortliche im Weinbau, dass der Klimawandel doch nicht so gut ist. Während deutsche Winzer vor einigen Jahrzehnten teilweise noch um jedes Bisschen Reife kämpfen mussten, reden besonders nachhaltig arbeitende Kollegen heutzutage vielmehr von Bodengesundheit und alten Reben zur Wasserversorgung der Trauben in Dürreperioden bzw. über spezielles Entlauben zur Verringerung der Photosynthese.
Deutschlands nördlichstes Anbaugebiet Saale-Unstrut erstreckt sich bis über den 51. Breitengrad hinaus und kann inzwischen auf eine 1000-jährige Tradition zurückblicken. In der letzten Woche habe ich einen Schaumwein aus Südengland, in der Nähe des 51. Breitengrades, probiert. Seit 2009 gibt es Weinbau in Schleswig-Holstein, was aber noch nicht als offizielles Anbaugebiet anerkannt ist, welches zwischen dem 54. und 55. Breitengrad liegt. 2018 wurden bei einem Experiment von Klaus-Peter Keller im norwegischen Kristiansand erstmals Rieslingtrauben reif. Wohlgemerkt, wir sind hier inzwischen beim 58. Breitengrad angekommen.
Das Potential für eine Nordexpansion des Weinbaus ist also definitiv gegeben.
Weinbau im Drachenland
Zum Ende meines Auslandsjahres im Vereinigten Königreich mache ich mich momentan daran, einige der sehenswerten Gegenden abseits des bereits bekannten englischen Südens kennenzulernen. Dabei war eine Station die walisische Westküste. In einem kleinen Lebensmittelgeschäft entdeckte ich dann tatsächlich einige Flaschen Wein aus Wales. Das musste ich dann zwangsläufig kaufen und probieren.
Das hier betreffende Weingut hat 2009 seine ersten Weinberge gepflanzt. Dies passierte in Zusammenarbeit mit Önologen aus Deutschland, denn daher kommt die sehr deutsche Rebsortenauswahl. Alle Rebsorten sind PiWis, also speziell gezüchtete pilzwiderstandsfähige Rebsorten, denn die Niederschlagsmenge hier ist besonders hoch, was die Trauben besonders anfällig für echten und falschen Mehltau (Oidium und Peronospora) macht. Hier stehen Rondo, Regent als rote Rebsorten und Orion und Solaris als weiße Vertreter.
Auch wenn man im Nachhinein immer alles besser weiß, sind aus heutiger Perspektive diese Rebsorten definitiv nicht mehr die vielversprechendsten PiWis und daher von Johanniter, Muscaris, Souvignier Gris, Cabernet Cantor und einigen weiteren abgelöst worden. Aus der Perspektive wollte ich probieren, was man hier aus diesen Rebsorten rausholen kann.
Der Wein
Es gibt Llaethliw White 2018 vom Weingut Gwinllan Llaethliw Vineyard. Wer des Walisischen mächtig ist, möge mich bitte mit der korrekten Aussprache dieser Namen erleuchten, denn ich habe nach vier Tagen hier nur ein bis zwei Dinge gefunden, die ich tatsächlich halbwegs korrekt aussprechen konnte. Der Wein ist ein reiner Solaris. Diese Rebsorte hat den Vorteil, dass sie neben der hohen Pilzwiderstandsfähigkeit auch bei hohem Zuckergehalt sehr früh reif wird. Der Wein hat 11% Alkohol und eine merklich dienliche Restsüße, die zwar nirgendwo schriftlich erwähnt, aber durchaus schmeckbar ist. 2018 ist der aktuelle Jahrgang dieses Weines, was ihm aber meiner Ansicht nach nicht wirklich guttut. Ich kann zwar keine pauschale Aussage über die Reifefähigkeit von Solaris abgeben, aber dieser hier wäre als 2020 oder 2021er definitiv frischer gewesen.
Im Glas
Die Nase ist erstmal nicht wirklich expressiv und sehr zurückhaltend. Dann kommt irgendwann das leicht grasige des Sauvignons, ein bisschen grüner Apfel und etwas tropische Frucht. Am Gaumen hinterlässt mich die Säure etwas ratlos. Das ist einerseits sehr mild und gefühlt nicht genug für den Restzucker und die frisch- fruchtige Art. Andererseits kommt sie im sehr kurzen Abgang dann deutlich zum Vorschein und das leider nicht besonders angenehm. Auch wenn die Trauben wahrscheinlich reif genug waren, die Säure hat etwas Grünes und unreifes, das dem Wein bedrauerlicherweise nicht gut zu Gesicht steht. Ich vermute zwar, dass der Wein mit weniger Flaschenreife und mehr Frische besser wäre, andererseits kann diese leicht harsche Säure auch genau auf das Gegenteil deuten. Ähnlich vermutlich wie mit Rieslingen aus „klassischen“ Jahrgängen von vor einigen Jahrzehnten, die man erstmal Jahre bis weitere Jahrzehnte liegen lassen musste, damit sich diese Säure zurücknehmen konnte.
Der Wein ist keine geschmackliche Erleuchtung. Das kann man schon so sagen. Insbesondere wenn man den Preis von umgerechnet etwa 20€ in Betracht zieht, bekommt man in Deutschland Schoppen und Literweine, die deutlich mehr Spannung und Geschmack bieten. Nichtsdestotrotz ist es spannend, zu sehen, was inzwischen alles möglich ist. Ich würde mir zwar definitiv für unseren Planeten wünschen, dass in naher Zukunft von Wales bis Norwegen kein Cabernet Sauvignon steht, aber rein vom Weinbau her betrachtet darf man schon gespannt sein, was einem in Zukunft alles ins Glas kommt. (€€)