Kategorien
€€ Weintagebuch

Spanischer Chablis und Zechwein-Deluxe

Wer hätte gedacht, dass es im südlichen Spanien auch noch Anfang Oktober bis zu 35 °C sein kann? Der Klimawandel lässt grüßen. Allerdings hat das tatsächlich sehr meine Vorstellung auf Eis gelegt hier viel Rotwein zu trinken, denn abseits einiger Tinto de Verano war hier bisher alles weiß. Zum Glück gibt es genug spannende spanische Weißweine, wenn man sie sucht. Ein paar davon kommen deshalb heute im Blog.

Beira Aral „Aravo“ Albariño Rías Baixas DO 2022

Ich hatte erst überlegt diesen Wein gar nicht mit in den Blog zu nehmen, weil ich selbst nach längerer Internetrecherche keinen Händler dafür in Deutschland gefunden habe (und außerdem eigentlich auch kaum einen in Spanien). Normalerweise ist das dann ein Ausschlusskriterium, denn ich will meinen Lesern ja nichts präsentieren, was man nicht mal nachkaufen könnte, wenn man wollte. Er entspricht relativ gut dem Paradebeispiel für einen trockenen Albariño im Mittelgewicht und da findet man sonst auch Alternativen, die hierher importiert werden. Ich habe ihn im Restaurant zum Essen getrunken. Auch da ging er nicht gegen den Fleischgang unter, aber zu diesem Zeitpunkt war er noch nicht ansatzweise so offen wie einen Abend später. Wirklich schön.

Da das Anbaugebiet Rías Baixas gerade boomt, ist man ja glücklich, wenn man etwas entdeckt, das die anderen noch nicht auf dem Schirm haben. Deshalb nutze ich jetzt meinen „eingeweihten Wissensvorsprung“, da man den Wein ja nicht kaufen kann, und mache mal ordentlich Werbung dafür. Vielleicht kommt er ja noch groß raus und ich hatte ihn dann schon vorher im Glas 😀 (€)

Ossian „Quintaluna“ 2020

In der Weinabteilung vom „el Corte Inglés“ in Valencia habe ich diesen Wein aufgetan. Ich hätte wahrscheinlich über 20 Weine mitnehmen können, die ich spannend fand, aber wenn man ohne Mietwagen unterwegs ist und am Ende der Reise nicht noch zusätzliches Aufgabegepäck buchen möchte, muss man sich ein bisschen zügeln. Die Bodega Ossian liegt in Segovia, also außerhalb der DO Rueda. Sie fokussieren sich aber dennoch auf die Rebsorte Verdejo, die man hauptsächlich von dort kennt. Die Weine werden deshalb als Vino de la Tierra (Landwein) vertrieben, obwohl sie qualitativ ganz oben mitspielen.

Der „Quintaluna“ ist der Einstiegswein bei Ossian, hat aber schon so viel eigenen Charakter, dass er mindestens eine Preiskategorie über den 15-20€ boxt für die man ihn, je nach Händler, bekommt. Die Reben stehen in der nördlichen Region um Segovia auf sehr sandigen Böden. Wie auch in Rueda sorgen das heiße Klima und diese sandigen Böden für die Resistenz der Reben gegen die Reblaus. Deshalb findet man dort auch überdurchschnittlich viele Pre-Phylloxera Stöcke. Ein echter Schatz. Diese liefern den Großteil der für den Wein verwendeten Trauben. Dieser wird nach der Ernte für neun Monate auf der Feinhefe im Stahltank ausgebaut. Im Sommer 21 wurde er dann gefüllt. Da der 2020er aber der aktuelle Jahrgang ist, darf man davon ausgehen, dass er dann noch mindestens ein Jahr lang im Weingut lagert.

Hätte man mir den Wein blind eingeschenkt, wäre ich höchstwahrscheinlich bei Chablis Premier Cru gelandet. Der Wein hat wirklich nicht sonderlich viel gemein mit dem durchschnittlichen Verdejo, den ich hier im Urlaub fast jeden Abend im Restaurant oder im Chiringuito trinke. Diese ähneln stilistisch eher nicht-zu-reifem gut gemachtem Grauburgunder. Wahrscheinlich laufen sie auch deshalb so gut. Der Quintaluna ist aber definitiv mehr Typ Chardonnay. In der Nase Birne, nasse Wolle, nasser Stein, ein bisschen funky Popcorn, aber alles sehr harmonisch. Das Feinhefelager täuscht ein bisschen an, als hätte er doch Holz gesehen. Ganz gemeine Falle. Das ist ein bisschen schmelzig, aber kein bisschen buttrig, weil da immer noch die Säure mitspielt. Ein wirklich komplexer Wein, der mir viel Spaß macht. Allein die wirklich große Ähnlichkeit zu Chablis PC gibt mir ein bisschen zu denken. Wenn der Wein quasi stellvertretend für Verdejo aus Segovia stehen soll, warum ist das so nah am Chablis dran? Hierbei würde es mich wirklich interessieren ob einer von euch den Wein kennt und meine Einschätzung teilt. Empfehlen kann ich ihn voll und ganz. (€ – €€)

Mar de Frades Albariño Rías Baixas DO 2022

Erste Assoziationen, wenn man zum ersten Mal vor der Flasche steht:

  • Blau, blau, blau sind alle meine Kleider.
  • Wie blau ist das Meer.
  • + natürlich diverse Mallorca-Hits 😉

Der Wein hat natürlich mehr zu bieten, aber wer die Flasche vom Mar de Frades sieht, der muss zwangsläufig auf die blaue Farbe abheben. Womit man in Deutschland echt nur Plörre verbindet, geht hier auch in richtig gut.

Während der Aravo vielleicht noch als Geheimtipp gilt, ist Mar de Frades längst etabliert. Leider hab ich nicht herausgefunden wie viele Flaschen davon pro Jahr produziert werden, aber da sie selbst angeben, dass sie der größte Landbesitzer der Region sind (~60 Hektar), darf man davon ausgehen, dass da eine solide Menge hintersteht. In manchen schickeren Strandbars hier in Conil habe ich aber auch schon einige Flaschen Mar de Frades schön nebeneinander aufgereiht gesehen. Das kennt man sonst eher von Bombay oder Tanqueray Gin-Flaschen in Cocktailbars. Das Design funktioniert also nicht nur für die Albariño-Fans, sondern auch für diejenigen, die vielleicht eher Wein nach Label oder Design aussuchen.

Aber jetzt mal zum Inhalt der Flasche. Die Trauben für den Wein kommen aus dem vielleicht besten Teil der Rías Baixas, nämlich aus dem Val do Salnés. Geerntet wird ausschließlich per Hand, dann wird am Weingut manuell selektiert und der Wein dann auf der Feinhefe im Stahltank ausgebaut. Das Weingut produziert auch noch einen Einzellagen-Albariño, der zusätzlich noch ein halbes Jahr lang in neuen französischen Eichenfässern liegt. Das wäre auch mal spannend zu probieren.

Stilistisch ist das schon ein Stück schlanker als der „Aravo“ und zeigt sich auch deutlich schneller in seiner Gänze. Ich mag das echt sehr gerne, obwohl der Wein an sich nicht die ganz große Komplexität mitbringt. Das ist einfach schlank, salzig, mit einer dezenten aber sehr schönen Frucht, einem guten Abgang und ganz viel Frische. Für mich ist das quasi „Zechwein-Deluxe“. Er liegt zwar preislich auch ein Stück über Riesling Gutswein, selbst von VDP-Weingütern, allerdings nicht von Weil ;), aber das ist so viel schöner zu trinken. Meine Zurückhaltung was Riesling Gutswein angeht habe ich ja jetzt schon mehrfach hier im Blog ausgedrückt, aber wenn man dann so was hier ins Glas bekommt, würde ich manchmal gerne appellieren: „Gebt euch nicht zufrieden mit dem, was teilweise selbst die besten Weingüter auf die Flasche bringen. Schaut euch lieber auch mal bei anderen Weingütern und anderen Rebsorten um.“ Man findet bei diesem Wein auch je nach Händler eine große Preisspanne, aber wer ein bisschen sucht, der findet ihn zu wirklich guten Preisen. Und ja, zum Glück auch in Deutschland. (€ – €€)

Anmeldung zum Newsletter

Trag dich ein, um freitags jede Woche benachrichtigt zu werden, wenn ein neuer Beitrag gepostet wurde.

Wir senden keinen Spam! Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert