Wenn einem das Wasser im Becken zu kalt ist, bringt es nichts, sich 20 Minuten lang Zentimeter für Zentimeter weiter hinein zu bewegen. Der direkte Kopfsprung erscheint dann allerdings doch etwas harsch und unbequem. Heute muss ich diesen Sprung machen, indem ich mich überwinde und etwas poste. Denn über die letzten Wochen und Monate hatte ich einige Ideen und Einfälle für mögliche Blogbeiträge, habe diese dann aber immer wieder verworfen. Jetzt war ich über das letzte Wochenende mal wieder zu Hause und habe zwei Weine ins Glas bekommen, die in mir etwas angestoßen haben. Also … los geht’s.
Clemens Busch Pündericher Marienburg „Fahrlay“ GG 2018
Die Gegebenheiten des Jahrgangs gelten auch für Clemens Busch, einen Mann, den ich persönlich sehr schätze und dessen Weine teilweise absolut genial sein können. Ich habe enormen Respekt für seine und die Leistungen seiner Familie, dass sie sich dazu entschieden haben, in diesen Steilstlagen biologisch und biodynamisch zu arbeiten. 2021 war ich selbst auf dem Weingut. Die Buschs klagten wie alle zu dieser Zeit über die großen Probleme mit Peronospora wegen der vielen Regentage im Sommer. Meine Mutter und ich haben damals hauptsächlich die Weine aus 2018 probiert, da 2019 durch die hohen Parker-Bewertungen längst ausverkauft war. Uns gefielen die Weine sehr. Das war kräftig aber noch nicht mollig, komplex aber nicht harsch, und die Weine zeigten sich mit zwei Jahren auf der Flasche einfach sensationell „lecker“. Dies brachte selbst meine Mutter auf die Idee sich mal zwei GGs zuzulegen. Warum wir diese Weine am besten schon im selben Jahr geöffnet hätten, zeigt dieser Fahrlay Mitte des Jahres 2024.
Ohne Luft ist das erstmal viel Petrol und Reifenabrieb. Das wandelt sich nach zwei Tagen aber mehr in die „Auslese oder aufwärts“-Richtung, was ich zwar eigentlich sehr gern mag … aber halt nicht bei einem GG. Wäre das jetzt eine Prüm-Auslese aus den 00er Jahren wär ich begeistert, aber das ist leider ein sechs Jahre altes GG. Am Gaumen ist das am ersten Tag im ersten Moment noch schön – wirklich kräftig, aber schön. Im Abgang kommt dann aber der jahrgangstypische Bitterton durch, der mir einfach überhaupt nicht gefällt. Mit zwei Tagen Luft lässt er ein bisschen nach, aber das bleibt „Riesling aufs Maul“. Der Wein ist leider keine Ausnahme zum Jahrgang. (€€€)
Dreissigacker „Wunderwerk“ Grauburgunder 2019
Über Jochen Dreissigackers eigenartige Marktpositionierung habe ich vor über einem Jahr schon mal geschrieben. Ein kurzer Blick in den Webshop des Weinguts zeigt, dass sich dort nichts geändert hat. Hierzu muss nichts mehr gesagt werden. Anders ist das bei diesem Wein.
Wer ab Weingut 420€ für das aktuelle Kirchspiel (NFT) haben möchte, der sorgt eher damit für Aufmerksamkeit als mit den „kleineren“ Weinen anderer Rebsorten. Gerade Grauburgunder wird abseits von Gutsweinen selten wirklich beworben. Zu schlecht ist das Image der Rebsorte in der Bubble von Leuten, die auch bereit wären Orts- und Lagenweine zu kaufen. Wenn man ehrlich ist – teilweise zu recht. Versteht mich nicht falsch, ich habe schon so viele tolle Grauburgunder getrunken, aber ob man aus dieser Rebsorte jetzt wirklich große Weine keltern kann steht für mich noch nicht fest. Vor ein paar Wochen haben wir Franz Keller Achkarrer Schlossberg Grauburgunder GG aus 2019 getrunken und auch wenn das ein sehr schöner Wein war, hätte er auch wunderbar als guter Ortswein oder als Erste Lage durchgehen können.
Das Weingut Dreissigacker will als Riesling Produzent in der Weltspitze ankommen. Überprüfen kann ich das nicht, weil ich mir ihre Lagenrieslinge nicht leisten kann. Aber was ich bestätigen kann ist, dass Jochen Dreissigacker ein sehr gutes Händchen für weiße Burgunder hat. Hier wird extrem gut mit Holz umgegangen. Dieser „Wunderwerk“ Grauburgunder lag zu 100% in neuen und gebrauchten Tonneaus, was ihm eine so unglaublich tolle Balance aus Frische, Kraft, Schmelz und Zug verleiht. Der Wein ist für mich mehr Burgunder als grau. Er hat schon diese leicht reifere (und manchmal rustikalere) Frucht im Vergleich zum Chardonnay und vor allem zum Weißburgunder, aber das ist hier so dezent und passt so toll ins Gesamtbild, dass ich ihn blind wahrscheinlich ins Meursault gesteckt hätte. Auch wenn Dreissigacker relativ wenig invasiv arbeiten, präsentiert sich der Wein sehr clean, sehr nobel – charakteristisch für die Weine des Weinguts. In der Nase Zitrusfrucht und etwas mediterrane Kräuter. Am Gaumen wunderbar ausbalanciert. Die 13.5% Alkohol sind der absolute sweet spot (beim 18er Fahrlay ist das leider anders). Der Körper ist mittelkräftig und passt damit sehr gut in diese Mittelklasse Kategorie, die mir aber häufig fast noch besser gefällt als die richtigen Dickschiffe mit noch mehr Alkohol und noch mehr Holz. Extrem gekonnt! (€€€)