Dieser Beitrag entsteht aus einer sehr spontanen Intuition. Ich habe einen Wein im Glas, den ich sehr spannend finde, weil er so anders ist als alles, was ich von dieser Rebsorte sonst kenne. Deswegen keine große Einführung, sondern ich komme gleich zum Punkt. Es geht um Claude Riffault „La Noue“ Sancerre Rouge 2019. Vielleicht kennt der ein oder andere den Wein bereits, denn Riffault ist momentan schon einer der Shooting-Stars an der Loire für seine weißen Sancerres. Selbst in die Bubble der jungen Avantgarde hat es das Weingut geschafft, seit die Jungs von der Vinothek Freiheit Riffaults Weine vertreiben und bewerben.
Kaum jemand hat aber auf dem Schirm, dass in Sancerre auch Pinot wächst. Dadurch, dass dies jetzt auch noch mein erster Pinot von der Loire ist, fällt es mir natürlich schwer zu vergleichen, wie dieser Wein jetzt gegenüber anderen seiner Klasse performt. Trotzdem hat der Wein etwas in mir getriggert und deshalb muss ich hier mal ein bisschen meine Gedanken sortieren. Wer mir zustimmt oder eine gänzlich andere Meinung hat, den ermutige ich gern dazu, einen entsprechenden Kommentar zu schreiben. Ich wäre wirklich gespannt, wie ihr das so seht.
Wie hat ein Pinot zu schmecken?
Ich habe hier im Blog schon ein paar mal laut darüber nachgedacht, wie guter Pinot Noir schmecken soll, ob es einen Stil gibt, den vielleicht nur die „wahren Kenner“ mögen und ob es überhaupt wirklich so etwas wie Rebsortentypizität gibt. Dieser Riffault warf jetzt allerdings die Frage auf: Darf Pinot so schmecken?
Aber erstmal Kontext. Hier wortwörtlich meine „Verkostungsnotiz“ zum Wein:
Oh, das ist anders – sehr anders im Stil als all die Pinots und Pinot-ähnlichen Rotweine, die ich bisher probiert habe; wir sind hier ganz weit entfernt vom Unreifemesser und bewegen uns schon fast im sehr hohen Reifebereich des Piemonts (14% Alkohol); aromatisch definitiv in Richtung rohes Fleisch, dunkle Früchte fast bis zu Cassis; man muss schon ehrlich sagen: Das passt eigentlich nirgendwo in die klassische Welt des Pinots rein; nach zwei Tagen offen hat sich das erstaunlich wenig verändert, außer, dass es etwas brandiger geworden ist; dem Wein fehlt auf einmal irgendwie die schöne Frucht, die ihn vorgestern noch wirklich lecker gemacht hat – ja, die Frucht war auch da schon gekocht, aber trotzdem noch so ganz lecker; hinterlässt mich irgendwie ratlos …
Zu Beginn denke ich mir eigentlich noch nichts Böses und stelle nur fest, dass das überhaupt nicht „klassischer“ Pinot ist. Dafür ist das zu reif und hat viel Cassis, was ich in Weinen dieser Rebsorte einfach nicht gewohnt bin. Trotzdem ist das zu Beginn echt sehr lecker, weil das Holz sehr gut eingebunden ist und mich der hohe Alkohol zu dem Zeitpunkt nicht stört. Die angeblichen 94 Parker-Punkte finde ich zwar auch da schon etwas zu hoch, aber die 90 knackt er für mich ganz locker. Weil ich neugierig bin, schaue ich aber weiter, ob andere Leute noch etwas über den Wein im Internet geschrieben habe. Fündig werde ich auf Cellar Tracker, wo ich einen relativ frischen Kommentar von Christoph Raffelt entdecke:
„I am a big, yes sehr big fan of the white Sancerre and Rosé of Riffault. But this Sancerre rouge is not beautiful at all. A cooked fruit, a lot of alcohol, lack of balance and freshness. We could not drink more than half a glass.“
Das schockiert mich dann erstmal und ich hinterfrage sofort alle meine Einschätzungen über den Wein. Anfangs schiebe ich den wirklich drastischen Unterschied noch darauf, dass ich weiß, dass Christoph Raffelt gern sehr strukturierte Weine mag und dieser Wein da wahrscheinlich wirklich nicht ins Bild passt. Aber schon ein paar Minuten später bin ich wieder bei meiner Frage angekommen, ob es überhaupt einen Sinn ergibt Pinot so üppig und gekocht in der Frucht zu machen. Können das andere Rebsorten nicht vielleicht viel besser? Und welche Rolle spielt die Erwartungshaltung, die man an einen Pinot Noir stellt? Von Felix Bodmann kenne ich den Satz: „Ein Châteauneuf-du-Pape, den man für einen Pinot hält, ist deutlich besser als ein Pinot, den man für einen Châteauneuf-du-Pape hält.“ und irgendwie erinnert mich dieser Wein daran.
Letztendlich bin ich dann doch zu einem Schluss gekommen. Ich muss mich auf keinen Fall dafür schlecht fühlen, dass ich das, gerade frisch geöffnet, echt „lecker“ fand und es mir in der Situation eher egal war, ob das ein viel zu breiter, üppiger Pinot oder ein durchschnittlicher Rotwein, aus anderen Rebsorten und aus einem wärmeren Klima ist. Würde ich aber in einem Laden stehen und bekäme die Auswahl zwischen diesem Pinot-Stil und dem „klassischen“ Pinot, dann würde ich mich vermutlich schon eher für den Klassiker entscheiden. (€€€)
2 Antworten auf „Verwirrung und Typizität“
Hallo Gero, insgesamt regt dieser Wein auf jeden Fall zum Grübeln ab, nicht wahr? Ich habe vielleicht den Vorteil, dass ich mittlerweile doch schon so Einiges an Pinot aus dem Sancerre probiert habe und dieser Wein hat leider mit allem anderen, was ich von dort kenne nichtmitgehalten. Das hat mich insofern fast schockiert, weil ich die Rosé und Weißweine von Riffault ja wirklich großartig finde. Er ist ja insgesamt etwas üppiger mit dem Alkohol, Schmelz und Volumen, aber bei Rosé und Weiß finde ich das sexy. Bei dem Pinot war einfach gar keine Struktur drin. Ich verstehe ihn im Gesamtportfolio einfach nicht. Sehr schön sind dagegen die Pinots von Vacheron und vor allem auch von Vincent Pinard als Tipp).
Hallo Christoph, wie schön, dass du den Beitrag gefunden hast. Ja, deine Verwirrung über den Wein konnte man dem Kommentar auf CellarTracker definitiv anmerken. Ich sehe zu, dass ich mal ein paar deiner Tipps auftreiben kann und berichte gerne davon. Die Loire an sich ist bei mir einfach noch ein sehr unbeschriebenes Blatt 🙂
Liebe Grüße