Dem Kaiser zu Ehren benenne ich den heutigen Blogbeitrag einfach nach seinem legendären Zitat über das Spiel Deutschland gegen England bei der WM 2010 in Südafrika. Diese Aussage eines deutschen Fußballspielers gegenüber den englischsprachigen Medien wird meiner Meinung nach nur von Roman Weidenfellers „I think we have a grandios Saison gespielt“ zum Reporter von Dubai Sports getoppt. Aber das soll heute gar nicht das Thema sein. Allerdings von einem Klassiker möchte ich schon berichten, genauer gesagt von zwei.
Ortswein oder doch Mini-GG?
Über diese Frage gibt es in der Weinwelt alles andere als Einigkeit. Auf der einen Seite stehen jene, die bei manchen nominellen Ortsweinen sinngemäß sagen: „Was dieser Winzer hier als Ortswein füllt, das wäre bei manch anderem schon das GG“. Auf der anderen Seite wird folgendes Argument womöglich am häufigsten gebracht: „Nur weil es Ortsweine mit bestimmten Bodentypen auf dem Etikett gibt, welche im Kontext implizieren, dass sie in den gleichen Lagen wie ein GG wachsen, heißt das noch lange nicht, dass man sie als kleines GG bzw. als GG-Zweitwein betrachten muss“.
Nun muss man hier differenzieren und definieren. Der VDP hat Anfang des Jahrtausends das Große Gewächs als die Spitze der trockenen Weine aus Deutschland eingeführt. Allerdings reicht der Anspruch nach Spitzenqualität allein nicht aus, um sich für das GG zu qualifizieren. Darüber hinaus wurde sich auf die Idee geeignet, dass ein GG ein bestmögliches Abbild der Lage bzw. der Herkunft sein sollte. Das impliziert aber auch, dass allein die Lage und die Schaffenskraft der Winzerinnen und Winzer ausreichen muss um einen Spitzenwein zu erzeugen. Wenn eins von beiden nicht stimmt, dann kann der Wein zwar nominell als Großes Gewächs verkauft werden, hat aber u.U. nicht das gewünschte qualitative Level. Das passiert zwar heutzutage offenbar deutlich seltener als noch zu Beginn des Jahrtausends, aber auch jetzt finde ich gelegentlich GGs, die meinem Empfinden nach nicht den Anspruch erfüllen.
Gleichzeitig gibt es aber trotzdem auch Winzer, die Spitzenweine erzeugen, die aus verschiedenen Lagen kommen und zusammen cuvetiert werden. In Deutschland ist das längst nicht so verbreitet wie z.B. im Piemont, in der Toskana, im Bordeaux natürlich (wobei das eigentlich nochmal ein ganz anderes Fass ist) oder an der südlichen Rhône. Bei uns gibt es zwar auch Spitzenweine, die nicht nominell als GG klassifiziert sind, allerdings kommen diese dann meist aus den kleinsten Filetstücken der Toplagen (siehe Rings Kreid oder S-F Final), aus unklassifizierten Lagen (B-S C.O. Liquid Earth) oder gleich aus ultra-geheimen Parzellen, die aus Angst vor Traubenklau (und um das Mysterium am Leben zu erhalten) gar nicht erst genannt werden (Keller G-Max).
Was hat das ganze nun mit unserer „Ortswein vs. Mini-GG“-Frage zu tun? Gerade von Seiten des VDP ist es nicht vorgesehen, dass ein Ortswein, selbst wenn er nur aus Trauben gekeltert wird, die man theoretisch auch zum GG geben könnte, irgendwie neben ein GG gestellt werden sollte. Dafür sorgt der Lagenverbrauch, dem sich die Winzer verpflichtet haben. Somit stellt sich rein rechtlich die Frage ob Ortswein oder Mini-GG gar nicht. Ein Ortswein ist ein Ortswein, weil er die Typizität des Ortes abbildet. Allerdings fange ich persönlich keinen Streit mit den Leuten an, die sagen, dass das Niveau mancher Ortswein durchaus GG-Level erreichen kann. Diese Meinung vertrete ich nämlich selber auch.
Und was ist mit … ?
Das gesamte Argument wackelt nur meiner Einschätzung nach gewaltig, wenn es mehrere Ortsweine aus ein und demselben Ort gibt. Clemens Busch kommt mir da sofort in den Sinn, der mit der Situation konfrontiert ist, dass seine GG-Lage, die Pündericher Marienburg, drei verschiedene Formen von Schiefer an unterschiedlichen Stellen vorweist. Daraus macht er fünf GGs plus zwei Weine darüber, welche aus Kleinstparzellen stammen, aber nicht als GG auf den Markt kommen (Felsterrasse und Raffes). Gleichzeitig macht er aber auch drei Pündericher Ortsweine namentlich vom grauen, vom blauen und vom roten Schiefer. Und warum macht er das? Weil es sinnvoll ist. Ich habe keine Erfahrung darüber, ob auch ein Pündericher Ortswein aus allen drei Varianten des Schiefers auch funktionieren würde, aber ich weiß, dass die Weine einzeln grandios sein können (18 leider nicht, aber sonst bisher sehr konstant).
Wie auch immer. Die Ortsweine der großen deutschen Erzeuger haben mich damals zum Rieslingfan gemacht. Wagner-Stempel Porphyr, Gut Hermannsberg vom Vulkan, Bürklin-Wolf Ruppertsberg, Peter Jakob Kühn Quarzit, Breuer Terra Montosa + natürlich die beiden Produzenten aus dem Blog heute. Dazu gehören noch so viele andere, die teilweise Ortsweine produzieren, die rein auf dem qualitativen Level mit so manchen Lagenweinen und GGs anderer Winzer mithalten und mir sogar besser gefallen. Zwei Klassiker gibt es heute im Blog.
Die Weine
Wittmann Westhofen Riesling 1G 2020
Das Fass mit VDP.Aus Ersten Lagen machen wir jetzt nicht auch noch auf. Eigentlich ist Philipp Wittmann kein Winzer, den man heutzutage noch groß vorstellen muss. Insbesondere nicht in meiner Bubble. Aber hier einmal kurz die Eckdaten im Schnelldurchlauf: Das Weingut liegt in Westhofen, mitten im sogenannten Wonnegau, welcher das südliche Ende von Rheinhessen ist. Vor allem für sein Morstein-GG ist Wittman längst weltberühmt. Auf tiefgründigen kalk- und lehmhaltigen Böden stehen seine Rieslinge. Ich würde ihn als pragmatischen Biodynamiker bezeichnen. Wenn man ihn danach befragt bekommt man erklärt, was diese Form der Bewirtschaftung für seine Weine gebracht hat und warum er das für sinnvoll erachtet. Einen Kurzvortrag über Rudolf Steiner kriegt man hier nicht zu hören. Dafür bekommt man einen absoluten Riesling-blue chip und dass Wittmann nicht nur Große Gewächse kann, sondern auch beim Ortswein (aus Ersten Lagen …) ganz oben mitspielt, zeigt dieser Wein.
2020 war das dritte der drei aufeinanderfolgenden Hitzejahrgänge. Im Gegensatz zu 18 aber waren die Winzer hier schon darauf eingestellt, weshalb ich bisher bei diesem Jahrgang noch nicht die Sonnenbrand- und Hitzespitzenprobleme gefunden habe. Ob das auch großflächiger stimmt zeigen dann hoffentlich die beiden 2020-Rieslingproben, die ich in diesem und im kommenden Jahr machen werde.
Frisch geöffnet meldet sich noch ein kleiner Bitterton, der aber mit ein paar Minuten Luft schnell in den Hintergrund tritt. Dann macht sich die sehr, sehr puristisch kreidige Art bemerkbar. Sehr fokussierte, kühle, etwas steinig-kreidige helle Steinfrucht mit einer Idee mediterraner Kräuter dahinter. Am Gaumen packt er dann richtig zu mit einer schönen Phenolik, die nicht aggressiv, aber sehr präsent ist. Kurzzeitig kommt mir das Prickeln auf der Zunge fast wie noch ein Rest Gärkohlensäure vor. Die Idee verwerfe ich aber bald wieder. Langer Abgang. Für mich ist das Ortswein Endstufe. (€€)
Rebholz Birkweiler Riesling „vom Rotliegenden“ 2020
Über Rebholz hab ich erst vor ein paar Monaten in meinem Bericht über meine Praktikumszeit dort erzählt. Deswegen hier der Disclaimer: Ich bin nicht ganz neutral was diese Weine angeht.
Rebholz ist ein weiteres Beispiel für die Dehnbarkeit des Ortsweinbegriffs, denn es werden insgesamt vier Ortsrieslinge produziert von denen zwei aus dem gleichen Ort stammen. Da man aber im Ort Siebeldingen in der Lage „im Sonnenschein“ und im „Ganz Horn“ zwei unterschiedliche Böden findet, werden die Ortsweine auch anhand dieser Bedingungen klar voneinander abgetrennt. In Birkweiler ist das etwas anderes. Im Birkweiler Mandelberg wächst bei Rebholz nur Weißburgunder, sodass ein Ortswein aus Birkweiler ausreicht, nämlich der vom Rotliegenden aus dem Kastanienbusch – die meiner Meinung nach spannendste Lage der Südpfalz für Riesling. Der geheime Champion unter den Ortsrieslingen des Hauses ist zwar bisher meistens der „vom Schiefer“ aus Burrweiler gewesen, aber der wahrscheinlich größte ist der „vom Rotliegenden“. „Keschdebusch“ ist einfach ein absolutes Unikat.
In der Nase erstmal noch klarer als der Westhofener und obwohl dem Pfälzer im Vergleich ein halbes Prozent Alkohol fehlt, wirkt er im direkten Vergleich etwas reifer. Meiner Erfahrung nach ist das aber tatsächlich der Lage geschuldet. In der Nase ist er erstmal etwas primärfruchtiger, deutlich würziger, bleibt aber ebenfalls kühl. Auch hier ist der Abgang sehr lang, aber nicht ganz so intensiv wie bei Wittmann. Mit zwei Tagen Luft entwickelt er auch etwas Petrol, behält sich aber diese phänomenale Würze. Ortswein geht kaum besser als so – außer: gleicher Wein aber aus 2019. (€€)
Eine Frage stellt sich aber mir jetzt noch zu den beiden Weinen. Orientieren sich jetzt die Ortsweine stilistisch an den GGs oder die nähern sich nicht die GGs eher den Ortsweinen an? Als das GG eingeführt wurde, hat man teilweise noch sehr der Wachau und den sehr reifen Rieslingen mit Botritysanteil nachgeeifert. Heutzutage sehe ich immer mehr Rieslinge (GG + andere) mit einer 12 bzw. sogar einer 11 vor dem Komma. Theresa Breuer demonstriert es Jahr für Jahr, dass Ausdruckskraft und Lagentypizität auch bei 11.5% Alkohol geht. Kai Schätzel geht in eine ähnliche Richtung, wird dabei aber ein bisschen wild. Gunderloch macht das genauso, arbeitet aber stark mit Reduktion (Nachtrag 04/2024: Ich war neulich vor Ort und mir wurde erklärt, dass die Reduktion eine Eigenschaft des Terroirs im Rothenberg sei und keine erzwungene Stilistik). Auch Philipp Kuhn füllt gerne mal GGs mit 12% ab. Eigentlich eine Kunst das in diesen heißen Jahrgängen so zu schaffen. 13.5% und mehr sehe ich eigentlich kaum noch. Ich bin aber mal gespannt, wo das alles hingeht.