Letzte Woche habe ich eine Weinprobe mitveranstaltet. Diese stand unter dem Motto “Rotes Piemont” und war somit nicht nur auf Barolo und Barbaresco beschränkt. Ziel war es einen Überblick über kleine und große Weine in jung und gereift zu geben. Neben einigen Nebbiolos (Nebbioli?) standen ausgezeichnete Barberas und Freisas auf dem Programm.
Die Probe bestand aus 10 Weinen, die jeweils in fünf Zweierflights eingeteilt waren und “teilblind” verkostet wurden. Das heißt es war zwar im Vorhinein bekannt, welche Produzenten vertreten sein werden, aber über die Jahrgänge und die Rebsorten gab es keine Informationen. Wie man gleich sehen wird waren eigentlich nur absolute Spitzenproduzenten vertreten, allerdings meistens eher die vermeintlich kleineren Weine. Dass das allerdings mit etwas ironischer Distanz betrachtet werden sollte, wird hoffentlich gleich klar.
Der Ablauf
Ich habe währenddessen keine großartigen Verkostungsnotizen geschrieben, da ich als Mitveranstalter auch eigene Weine dabei hatte, zu denen ich etwas erzählt habe und mich dann natürlich mehr darauf konzentriert habe. Man könnte es wahrscheinlich eher eine Masterclass als eine Blindprobe nennen.
Hier gibt es jetzt meine Eindrücke zu den einzelnen Flights und im Anschluss ein paar interessante Erkenntnisse über die gesamte Probe. Auch wenn ich zur persönlichen Orientierung gepunktet habe, werden diese Punkte hier keine Rolle spielen. Stattdessen gibt es am Ende eine persönliche Rangliste, sowie eine Top-3 aller Teilnehmer zusammengerechnet.
Flight #1: Nebbiolo
Der erste Flight war eigentlich kein wirklicher Flight, da wir die beiden Weine eher nacheinander als direkt nebeneinander probiert haben.
Borgogno Barolo 2006: Sehr ruhig und harmonisch. Zeigt viel der klassischen dunklen erdigen Pilz- und Waldbodenaromatik, die man von gereiftem Nebbiolo gewohnt ist. Scheint so momentan absolut auf dem Punkt zu sein, wirkt aber kein Stück müde.
(3. Platz; 3. Platz Gesamtwertung)
Roagna Langhe Rosso 2015: Extrem schöner Langhe Nebbiolo, der aber durch seine laktische Nase und dem etwas kurzen Abgang seinem inoffiziellen Anspruch als der Barolo-Killer nicht ganz gerecht wird. Mit ein paar Stunden Luft legt sich der Joghurtton, was ihn unglaublich animierend erscheinen lässt, aber er überstrahlt nicht die anderen Weine. (9. Platz)
Flight #2: Voerzio Barbera
Roberto Voerzio Barbera d’Alba “Il Cerreto” 2014: Ein weiterer Beweis dafür, dass Barbera viel mehr als nur Basis kann. Obwohl er definitiv seine Reife zeigt, wirkt auch dieser 14er erstaunlich jugendlich. Genau wie Braidas 06er Barbera aus der Piemont-Reise, entwickelt er diese sehr würzigen Aromen, die fast schon in Richtung gegrilltes Fleisch gehen. Mit 13,5% ist er für einen Barbera sogar verhältnismäßig mild im Alkohol. Toller Wein. (2. Platz; 3. Platz Gesamtwertung)
Roberto Voerzio Barbera d’Alba “Il Cerreto” 2020: Zeigt im Vergleich zu seinem sechs Jahre älteren Bruder deutlich mehr Struktur. Wirkt dadurch kantiger und ungeschliffener, was er aber auch darf. Braucht ein bisschen Luft und deutet dann nach einigen Minuten im Glas viel Potenzial an. Könnte durchaus in sechs Jahren im Vergleich zum 14er der größere Wein werden. Spannend die beiden nebeneinander zu probieren. (8. Platz)
Flight #3: Freisa
Cavallotto Langhe Freisa 2019: Die große Überraschung des Abends. Deutlich graphitgeprägte Nase. Insgesamt sehr dunkel von der Aromatik her. Zeigt sich auch nach einer Stunde offen erstmal sehr verschlossen, macht dann aber nach ein paar Minuten schwenken im Glas sehr auf. Krasser Gerbstoff und straffes Säuregerüst kombiniert mit einer intensiven jugendlichen Frucht machen ihn zu einem äußerst fordernden Wein, der in seiner Preisklasse sehr viel anderes überstrahlt. Wenn man ihm jetzt noch ein paar Jahre Flaschenreife gibt, dann könnte das richtig groß werden. (5. Platz; 2. Platz Gesamtwertung)
G.D. Vajra Langhe Freisa “Kyè” 2014: Funktioniert parallel zum Cavallotto nicht so gut. Im Vergleich natürlich deutlicher reifer, aber dadurch geht ihm ein bisschen diese sehr markante Struktur abhanden, die den Cavallotto daneben so glänzen lässt. Wahrscheinlich unter Wert geschlagen. (10. Platz)
Flight #4: Barbaresco
Produttori del Barbaresco Barberesco “Rio Sordo” 2013: Wenn ein Wein jemals nach Erdbeeren gerochen hat, dann dieser. Da bräuchte man jetzt eigentlich nur noch Waffeln und etwas Sahne dazu … Der Wein ist absolut auf seinem Höhepunkt, denn Tannin und Säure sind sehr gut integriert und doch hat er sich so viel wunderbare Frucht behalten. Kann bestimmt auch noch älter werden, muss er aber nicht. (6. Platz)
Bruno Rocca Barbaresco “Currà” 2016: Was ein Wein! Ich war fast schockiert als ich sah, dass das 2016 ist. Das ist unglaublich zugänglich und filigran, obwohl er definitiv ein jahrgangstypisches straffes Gerbstoffgerüst hat. Nach hinten raus klingt er extrem lange nach. Currà ist eigentlich keine besonders gute Lage, was uns allen aber völlig egal ist, denn der Wein liefert massivst ab. Groß! (1. Platz; 1. Platz Gesamtwertung)
Flight #5: Barbera Traditionalisten 2019
Cavallotto Barbera d’Alba superiore “Vigna Cuculo” 2019: Straff, geradlinig, rotfruchtig, kühl, gerbstoffbetont. Allesamt sehr passende Beschreibungen für diesen Barbera. Wirkt noch ein paar Jahre zu jung, deutet aber jetzt schon viel an. Conterno als Gegner ist stilistisch ganz genau das Gegenteil. (4. Platz)
Giacomo Conterno Barbera d’Alba “Vigna Francia” 2019: Während der Cavallotto zwar mit viel Struktur punktet, dafür aber eher leise ist, fährt Conterno richtig laut und pompös auf. Die 15% Alkohol fallen dennoch nicht unauffällig brandig auf, dafür leidet er aber an einem deutlichen Joghurtton in der Nase. Dieser legt sich zwar ein wenig über die nächste halbe Stunde, verbleibt aber dennoch nicht ganz unauffällig. Geschmacklich ist das eine Fruchtbombe. Erstaunlich zugänglich für einen so jungen Wein. Unglaublich konzentriert, intensiv und jenseits des Joghurts spielt sich ein großes aromatisches Kino ab. Mich beeindruckt der Wein zwar sehr, aber hauptsächlich als “Breitwandwein”. (7. Platz)
Endresultat
Gesamtwertung
Platzierung | Wein |
---|---|
1. | Bruno Rocca Barbaresco “Currà” 2016 |
2. | Cavallotto Langhe Freisa 2019 |
3. | Borgogno Barolo 2006 & Roberto Voerzio Barbera d’Alba “Il Cerreto” 2014 |
Der Rocca gewann sozusagen “haushoch”. Nur bei einem Teilnehmer, dem Conternos intensive und aromatisch-facettenreiche Barbera-Interpretation am besten gefiel, landete der 2016er Barbaresco auf dem ersten Platz. Der Jahrgang wird ja ohnehin überall als einer der ganz großen Jahrgänge des Piemonts gehandelt und wenn man diesen Wein dann vor sich hat, kann man das gut nachvollziehen. Es gibt ihn noch zu kaufen, aber er gehört leider nicht zu den Schnäppchen der Probe.
Cavallottos Langhe Freisa war, wie schon erwähnt, die große Überraschung des Abends. Ich hatte ihn damals blind gekauft, nachdem er im Blindflug als perfekter gekühlter Wein zum Grillen hochgehalten worden war. Das war damals der 18er, den ich nicht mehr bekommen konnte und stattdessen auf den 19er umgesattelt hatte. Jetzt wo ich ihn endlich probieren konnte, kann ich nur stark davon ausgehen, dass zwischen 18 und 19 ein großer Stilwandel bei diesem Wein vorgenommen wurde. Denn “kühlschrankkalt” hätte dieser Wein mit all seiner Säure und dem wirklich kräftigen Gerbstoff wahrscheinlich sehr fürchterlich geschmeckt. Bei Zimmertemperatur war es ein sehr toller straffer und strukturierter Rotwein, den ausnahmslos alle gut fanden, aber es konnte sich keiner von uns wirklich vorstellen das jetzt frisch aus dem Kühlschrank zu trinken. Vom 19er Jahrgang gibt es nur knapp 2700 Flaschen, daher darf man davon ausgehen, dass der Wein wahrscheinlich bald deutlich mehr kosten wird, wenn er in ein paar mehr Proben so gut abschneidet. Deshalb sollte man wahrscheinlich jetzt zugreifen, wenn man mal was bekommen kann.
Borgogno und Voerzio teilen sich den 3. Platz. Während die ersten beiden Plätze von Weinen eingenommen werden, die tendenziell noch nicht auf dem Höhepunkt ihrer Reife angekommen sind, sind die beiden 3. Plätze wahrscheinlich beide am Anfang davon. Einfach zu bekommen sind sie allerdings beide nicht wirklich.
Mein persönliches Fazit
Platzierung | Wein |
---|---|
1. | Bruno Rocca Barbaresco “Currà” 2016 (€€€€) |
2. | Roberto Voerzio Barbera d’Alba “Il Cerreto” 2014 (€€€) |
3. | Borgogno Barolo 2006 (📉) |
4. | Cavallotto Barbera d’Alba superiore “Vigna Cucolo” 2019 (€€) |
5. | Cavallotto Langhe Freisa 2019 (€€) |
6. | Produttori del Barbaresco Barbaresco “Rio Sordo” 2013 (€€€€) |
7. | Giacomo Conterno Barbera d’Alba “Vigna Francia” 2019 (€€€€) |
8. | Roberto Voerzio Barbera d’Alba “Il Cerreto” 2020 (€€) |
9. | Roagna Langhe Rosso 2015 (€€€) |
10. | G.D. Vajra Langhe Freisa “Kyè” 2014 (€€) |
So viele Granaten in eine Reihenfolge zu bringen wirkt tatsächlich hier und da nicht ganz fair, denn das Niveau der Probe war wirklich sehr hoch und da will man die eigenen Favoriten natürlich gerne mit ganz vorne sehen. Von den zehn Weinen habe ich die beiden Cavallottos und den Conterno beigesteuert und gerade bei letzterem habe ich mir erwartungsgemäß noch mehr erhofft. Aber in solchen Fällen gilt es dann so viel Fairness wie nur möglich an den Tag zu legen.
Zusammenfassend war es eine wirklich schöne Probe, die mir viel Spaß gemacht hat. Vielen Dank hier natürlich nochmal an Gizem, die alles organisiert und den Großteil der Weine beschafft hat.