Alle meine größeren Beiträge liegen auf Eis während ich mich langsam und qualvoll durch meine Examensarbeit schleppe. Ich bin heilfroh, wenn das bald vorbei ist und ich dann nur noch die ganzen Prüfungen vor mir habe. Eine Sache ist allerdings diesen Monat passiert, die ich erwähnen wollte: Dieser Blog ist drei Jahre alt geworden und ist damit offiziell älter als der furchtbare, selbstgezüchtete Kombucha in meiner alten WG in Landau. Was wir in der Pandemie nicht alles für komische Ideen hatten. Übrigens: Wie geht’s eigentlich dem Sauerteig, den sich ganz Deutschland im ersten Lockdown angesetzt hat?
Dieses Jubiläum nutze ich nicht um wirklich über den Blog zu sprechen, denn dafür fehlt mir aktuell die Zeit, aber der Wein aus meinem ersten Beitrag damals passt sehr gut zu dem Wein über den ich heute sprechen möchte.
Das spanische Weißweinwunder
Die iberischen Halbinsel hat man bis vor ein paar Jahren nicht wirklich ernst genommen, wenn es um die Produktion spannender Weißweine ging. Zu festgefahren schien das Image von kräftigen Rotweinen mit langem Holzfassausbau. Klar, Tondonia Gran Reserva blanco oder Castillo Ygay Gran Reserva blanco sind schon ewig legendär, aber das schien irgendwie immer nur wie die eine oder andere Ausnahme. Heutzutage erreichen immer mehr tolle spanische Weißweine den deutschen Markt. An vorderster Front natürlich Galizien mit ihren Albariños und Godellos, Somontano hat es auf die Landkarte geschafft, in Andalusien haben die Granden des Sherry angefangen ihre Palominos gelegentlich nicht mehr aufzuspriten und damit einen unglaublich tollen Stil erreicht, und auch neben den Legenden der Rioja kommen immer mehr spannende gemischte Sätze und reinsortige Viuras zum Vorschein.
Vor drei Jahren war der erste Wein im Blog ein Rotwein aus der Sierra de Gredos namens Las Uvas de la Ira von Daniel Gómez Jiménez-Landi, dem Mann, der mit seinem Projekt Comando G die Region in die höchsten Höhen der fine wine-Welt gebracht hat. Inzwischen heißt das Weingut nicht mehr wie er selbst sondern Vitícola Mendridana und wird von Danis Freund Curro geführt. Während die Comando G-Weine inzwischen preislich ganz schön steil gegangen sind, findet man hierbei einen tollen Ausdruck seiner kargen, heißen und hochgelegenen Herkunft und das zu deutlich erschwinglicherem Preis. Außerdem macht Curro seit dem Jahrgang 2023 sogar einen Weißwein, den ich unbedingt haben musste.
Der Wein
… heißt El Mentridano blanco 2023 und ist ein reinsortiger Garnacha Blanca. Irgendwie wiederhole ich mich häufig, wenn ich über spanische Weißweine jenseits des Albariño rede, aber auch hier muss ich es mal wieder betonen: Garnacha Blanca ist an sich keine dolle Rebsorte. Sie hat keinen starken eigenen aromatischen Charakter, kann unglaublich viel Zucker ansammeln, produziert also tendenziell alkoholstarke Weine, und ist dabei sehr säurearm. Beste Voraussetzung dafür wie beim Châteauneuf-du-Pape blanc in der Cuvée mit acht anderen weißen Rebsorten unterzugehen – sprich: eigentlich macht kein Mensch reinsortigen Garnacha Blanca jenseits der Zechweine oder bei Banyuls, aber Süßweine zählen hier nicht. Das bedeutet für die Winzer: Überlegt euch einen Plan dafür was ihr für einen Wein aus dieser Rebsorte machen wollt.

Dem Auftrag ist Curro Bareño nachgekommen und hat einfach mal ein bisschen experimentiert. Damit die Trauben nicht nachher 15% potenziellen Alkohol entwickeln, liest er früher, was dabei hilft die Säure zu bewahren. Der Wein hat lediglich 11.5% Alkohol – wurde also vergleichsweise sehr früh gelesen. In diesem Stadium kann dann die Säure noch recht grün und unreif wirken. Um dem entgegenzugehen, lässt er den Wein den biologischen Säureabbau machen, vergärt aber dafür nur im Edelstahl und im Beton, damit der Schmelz nicht die Oberhand gewinnt. Um dem Wein aber trotzdem noch etwas mehr Tiefe und Komplexität zu geben, hat sich Curro dafür entschieden den Most länger in Kontakt mit den Schalen zu lassen. Das Endresultat geht farblich und aromatisch zwar voll in Richtung Orangewine, aber eben nicht ganz so weit. Diese semi-orangewines scheinen im Kommen zu sein.
Abseits der konkreten Weinbereitung sei kurz angemerkt, dass die Weinberge dort rein mechanisch per Handarbeit und mit Pferd oder Esel bearbeitet werden können – so steil und uneben stehen in der Sierra de Gredos die Reben.
Im Glas
In der Nase ist das ein Wein voller Gegensätze. Er hat Struktur fast wie ein Orangewine und tänzelt doch wie ein leichter Weißwein. Die Frucht bewegt sich irgendwo zwischen Dörrobst und Zitrusfrucht. Aber sie ist nicht das was einem als erstes in die Nase kommt. Das ist interessanterweise eine Aromatik, die ich am besten als heiße Maronen beschreiben könnte. Das geht so leicht in eine erdige Waldboden-Richtung, aber anders als man das vom Pinot oder grundsätzlich von gewissen Tertiäraromen beim Rotwein kennt. Über die lange Maischestandzeit hat der Wein einen ganz leicht mostigen touch, trotz des biodynamischen und naturnahen An- und Ausbaus dabei aber kein bisschen fehlerhaft oder unangenehm. Die Säure wirkt recht straff und strukturierend, obwohl der Wein laut Datenblatt gerade so die fünf Gramm knackt und der Wein wie gesagt einen BSA gemacht hat. Dazu hat der Wein ganz gut Gerbstoff, was mit der Säure zusammen dann schon echt für ein krasses phenolisches Gerüst sorgt – und doch schafft er es zu tänzeln. Die Frucht bleibt stark im Hintergrund, aber trotz des niedrigen Alkohols hat das noch so viel Extrakt, dass es eben nicht dünn und sauer wirkt. Weit entfernt von der Massentauglichkeit, aber ich find’s toll! (€€)