Ich war auf Reisen. Das ist zwar nicht unbedingt was Neues für mich als Person, aber für mich als „Blogger“ war es das erste Mal. Die ausführliche Erzählung wo und weshalb ich unterwegs war gibt es beim nächsten Mal, aber da das ein langer Beitrag wird, wollte ich vorher wenigstens noch einen Wein posten, den ich im Zusammenhang dieser Reise endlich in die Hände bekommen habe.
Der Wein
Es gibt Derthona Timorasso 20 von Walter Massa. Es gibt den Wein zwar auch in Deutschland zu kaufen, aber mir hat bisher immer der letzte Anreiz gefehlt, mich mit der Rebsorte wirklich mal auseinanderzusetzen. Aber mal langsam. Timorasso ist eine weiße autochtone Rebsorte des Piemonts, die, im Gegensatz zu den bekannteren Vertretern wie Arneis oder Cortese (aus der der Gavi gemacht wird), aromatisch ein wenig in Richtung Riesling gehen kann und auch von den Säurewerten eher untypisch für italienische Weißweine ist. „Derthona“ ist der antike römische Begriff für die heutige Stadt „Tortona“, um welche herum der Timorasso in der DOC Colli Tortonesi, also den tortonischen Hügeln, wächst. Momentan wird der Begriff „Derthona“ noch als Markenname verwendet, es gibt allerdings die Bestrebung daraus eine eigene DOC (Denominazione di Origine Controllata a.k.a geschützte Ursprungsbezeichnung) zu machen.
Walter Massa gilt vielerseits als der „godfather“ des Timorasso. Er war quasi der einzige, der sich in den 1980er Jahren dieser Rebsorte verschrieb und somit heutzutage nicht nur alte Rebanlagen, sondern auch viel Erfahrung im Umgang mit ihr vorweisen kann. Inzwischen bewirtschaften ca. 50 verschiedene Winzer über 170 Hektar in den Colli Tortonesi, denen Massa mit seinem Wissen zur Seite steht. Einer seiner „Lehrlinge“ ist Luca Roagna, dessen Weine in den letzten Jahren unglaublich an Popularität gewonnen haben. Sein Timorasso gilt inzwischen sogar als noch besser als Massas beste Einzellagenweine. In Zukunft werde ich versuchen mal an eine Flasche davon ranzukommen, da ich die Rebsorte extrem spannend finde und da gerne mal etwas tiefer eintauchen möchte.
Derthona 20 ist quasi Massas Einstiegs-Timorasso, hat aber von der Stilistik eigentlich nichts mit einem klassischen „Gutswein“ zu tun, dafür ist das viel zu intensiv und vielschichtig. Charakteristisch für diese Stilistik ist einerseits die lange Maischestandzeit von bis zu 60 Stunden auf den Schalen. Der Ausbau findet sowohl im Stahl- als auch im Zementtank statt.
Im Glas
Was als Erstes auffällt, ist die Farbe. Und nein, es geht mir nicht darum zu sagen, dass ich sie einfach schön finde, aber durch den langen Schalenkontakt liegt das farblich irgendwo zwischen gold und orange. Es hat aber aromatisch eigentlich nichts mit „Orangewine“ zu tun, dafür ist das viel zu saftig. Die Nase ist unglaublich spannend, gerade weil der Wein in keins meiner aromatischen Raster passt. Einerseits ist das erstmal ziemlich zitrisch, mit etwas Honig und sogar einer Idee von Petrol, was erstmal in der Tat etwas nach Riesling klingt. Andererseits kommen dann eher untypische Gerüche wie Mandarine und etwas, das an in Butter angebratenen Salbei erinnert, aber auch etwas Heu und Stroh, was man eigentlich eher von Rebsorten wie Silvaner gewohnt ist. Insbesondere diese Mandarine finde ich ziemlich spannend, weil der Einruck am Gaumen genauso weitergeht. Der Wein ist auf der einen Seite sehr saftig und keineswegs karg, hat aber auch einen klaren Bitterstoff, den man von der ein oder anderen Mandarinenschale kennt. Der Abgang zeigt zwar etwas Phenolik, diese ist aber kein bisschen unangenehm und gibt dem Wein eine gute Struktur.
Nach ein paar Tagen, und mit viel Luft, ähnelt die Nase nun beinahe komplett einem reifen aber opulenten Riesling. Am Gaumen nimmt sich der Bitterton ein wenig zurück und der Abgang gewinnt etwas an Länge.
Man muss aus Offenheit sagen: Das ist ziemlich speziell. Auch wenn es hier und da aromatische Ähnlichkeiten zu Riesling gibt, ist Timorasso in der Machart von Walter Massa absolut kein „crowdpleaser“. Der Wein hat einen deutlich schmeckbaren Bitterton, einen nicht ganz unschmeckbaren Alkohol und eine sehr aparte Aromatik. Ich finde, dass man das mal probiert haben muss, aber man muss auch, den Rebsortenvergleichen zum Trotz, am besten ohne konkrete Erwartungen drangehen. Dann besteht die Chance auf eine echte Horizonterweiterung. Ich werde da dran bleiben. (€€)
