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Weintagebuch

2022 – Ein Rückblick

Ja, das muss sein. Mir ist wohl bewusst, dass man rund um den Jahreswechsel überall nur so mit Jahresrückblicken zugeklatscht wird, aber es ist zu viel in diesem Jahr passiert, als dass ich hier nicht drüber schreiben will. Also gibt es hier jetzt einen kleinen Überblick über mein Weinjahr 2022.

Ich habe angefangen einen Blog zu schreiben

Fangen wir mal mit dem Offensichtlichen an: Ich habe meine Nerdigkeit akzeptiert und gebe ihr seit diesem Jahr in Form dieses Blogs einen Raum. Und was soll ich sagen … ich bin echt froh, dass ich das gemacht habe.

Weinblogs sind eher selten geworden und werden wenn dann eher über social media betrieben. Das ist aber ehrlich gesagt nicht so mein Fall, weil einem in gewisser Weise die gestalterischen Möglichkeiten fehlen und jeder, der den Blog lesen möchte, sich bei diesen Diensten anmelden muss. Darüber hinaus sehen längere Texte unter Instagram-Bildern meistens deplatziert und unästhetisch aus.

Natürlich schreibt man einen Blog auch um gelesen zu werden, aber das ist für mich nicht der einzige Grund. Andererseits dürfte ich, meiner mittelmäßigen Zugriffsstatistiksoftware nach, nur noch relativ bekannte Weine posten. Aber eigentlich ist der Blog ja eher eine Dokumentation meiner Reise durch die Weinwelt und da begegnet einem so viele andere spannende Dinge und eben nicht nur Riesling-GG etc. Also wird es auch im nächsten Jahr viel experimentelles Zeug geben. Aber für einen Ausblick auf 2023 gibt es nächste Woche nochmal einen eigenen Beitrag.

Ich habe nette Menschen und interessante Orte kennengelernt

Das große Thema hierbei ist natürlich meine Piemontreise, aber auch darüber hinaus habe ich z.B. über die Blindflug-Rheinland Gruppe viele nette andere Weinliebhaber_innen kennengelernt. Denn abseits von Diskussionen über über- bzw. unterschätzte Weine, soll Wein die Leute vor allem zusammenbringen. Und besonders schön ist das dann, wenn man untereinander die besonders spannenden Sachen teilt.

Top-10 Liste

Wer die Asterix-Comics gelesen hat, erinnert sich vielleicht noch an den Ausruf eines römischen Schauspielers “Orgien! Orgien! Wir wollen Orgien!”. Frei nach diesem Vorbild gibt es hier jetzt meine Adaption “Listen! Listen! Wir wollen Listen!”. Dabei orientiere ich mich eigentlich gar nicht so sehr an den Listen, die Ende des Jahres immer von den großen Wein-Publikationen wie dem WineSpectator, Falstaff usw. sowie denen der großen Individualkritikern Jeb Dunnuck, James Suckling etc. Mein Vorbild liegt eigentlich eher bei den ganz banalen Top 10-Videos auf YouTube, die man so ziemlich zu jedem beliebigen Thema findet. Diese Videos sind so unglaublich beliebt, weil die Menschen irgendwie dann doch gerne eine Reihenfolge bzw. vielleicht sogar eine gewisse Hierarchie sehen wollen.

Diese Liste bildet meine “besten” Weine des Jahres ab. Das Thema Preis-Leistungs-Verhältnis spielt hierbei ausnahmsweise mal keine Rolle. Wen es interessiert: Auf die 100-Punkte Skala übertragen fängt die Liste bei 96 Punkte an und endet zwei Mal auf 100.

Kleiner Disclaimer: Es wird ziemlich rieslinglastig … 🤷

#10: Gut Hermannsberg Kupfergrube GG 2015

Brauchte erstaunlich lange um sich zu öffnen. Nach etwa eineinhalb Stunden sang der Wein dann aber unglaublich schön. Großer trockener Riesling! (€€€€)

#9: Georg Breuer Berg Roseneck 2015

Den Wein gab es ganz zu Beginn im Blog. Die Kupfergrube ist im Vergleich der etwas “klassischere”, “barocke” Stil von großem trockenen Riesling, aber qualitativ ist das absolut gleichwertig. Beide sind bereits gut zu trinken, dürften aber noch lange nicht beim vollen Reifepotenzial angekommen sein. (€€€€)

#8: Emrich-Schönleber Frühlingsplätzchen GG 2019

Während die eine Seite der Weinkritiker 2019 als “den besten Jahrgang aller Zeiten in Deutschland” betitelten, gab es auch kritische Stimmen, die die jubelnden Massen etwas in Schach halten wollten. Dabei ging es darum, dass Winzern teilweise absolut großartige GGs gelungen waren, aber auch, dass der ein oder andere mindestens einen Wein “liegen gelassen” hatten. Während ich das z.B. bei u.a. Wittmanns Aulerde so bestätigen kann, so ist Emrich-Schönlebers Frühlingsplätzchen meiner Meinung nach völlig zu Unrecht in diese Ecke geschoben worden. In meinen Notizen zu diesem Wein steht u.a. die Metapher “filigran aufs Maul”. Diese trifft es ganz gut, denn der Wein ist so unglaublich elegant und entwickelt trotzdem so viel Druck und phenolischen Biss, dass er sich zwangsläufig in diese Top-10 gefräst hat. (€€€)

#7: Knipser Marsannier *** 16

Auch dieser Wein war vor einigen Wochen im Blog. Er hat es in diese Liste geschafft, weil er für mich so unglaublich überraschend gut war. Ich hatte damit nicht gerechnet, obwohl ich schon einige grandiose Weine von Knipser probiert hatte. Ab Weingut ist er leider bereits ausverkauft, aber wer noch etwas auftreibt bekommt hiermit einen Kaufbefehl. (€€€)

#6: R. López de Heredia Viña Tondonia Reserva 2004

Einer der besten Weine des letzten Jahres war der Viña Bosconia 09 aus gleichem Haus. Also bin ich losgegangen um etwas mit mehr Reife zu bekommen. Langsam sollte ich es mal verstanden haben, dass Rioja irgendwie anders altert als das, was ich sonst trinke. Natürlich merkt man, dass das nicht blutjung ist, aber so manch anderer Rotwein streckt mit fast 20 Jahren auch mal schon alle viere von sich. Der Wein wird immer noch von einer frischen aber reifen Säure und einem unglaublich feinen Tannin getragen, das die üppige Frucht nicht verdeckt. Grandioser Stoff! (€€€)

#5: Robert Weil Gräfenberg Spätlese 2007

Der Wein war zufällig offen, als ich im Herbst dort zur Verkostung war. Es war so eins dieser Erweckungserlebnisse, die man scheinbar braucht um etwas wirklich zu verstehen. Denn auch wenn mir im Grunde klar ist, dass die großen Rieslinge, vor allem die süßen Prädikatsweine, zwar auch jung schon schmecken, aber man sich selbst eigentlich so viel Potenzial beraubt wenn man das jung trinkt, mache ich das trotzdem tendenziell zu häufig. Neben diesem großen Tiger aus 2007 wirkte die 21-er Gräfenberg Spätlese wie ein kleines Hauskätzchen. Allerdings mit dem gleichen Potenzial. Ich muss mir noch irgendwas einfallen lassen, damit der 21-er den ich gekauft habe, mal mindestens 15 Jahre im Keller überlebt … (€€€)

#4: Alheit Vineyards Hemelrand 2019

Wieder ein Wein aus dem Blog. In dem Beitrag habe ich genug von der Genialität der Weine von Chris und Suzaan Alheit geschwärmt, deshalb hier quasi nur ein Platzhalter. Wer auf saftige, salzige Weißweine, die man in ihrer Lebendigkeit und Spannung kaum übertreffen kann, steht, kommt nicht um dieses südafrikanische Weingut herum. Darüber hinaus müssen diese Weine nicht unbedingt lange reifen, bis sie ihr Potenzial zeigen. Können tun sie das allerdings schon. (€€€)

#3: Braida Bricco della Bigotta 2006

Der ganz große “Wein-Wow-Moment” meiner Piemontreise. Auch blutjung sind die großen Barberas von Giacomo Bologna (und seinen Kindern) schon wirklich beeindruckend, aber dieser 16 Jahre alte Bricco della Bigotta hat mich sicher einige Minuten lang zum Schweigen gebracht. Aromatisch womöglich nicht ganz so komplex wie die ganz großen gereiften Über-drüber-Barolos, aber mit einer unglaublichen Frische, Würze und Saftigkeit. (€€€€)

#2: Dr. Bürklin-Wolf Reiterpfad G.C. 2019

Eigentlich stehen #1 und #2 auf der gleichen Stufe, da es die einzigen beiden Weine in diesem Jahr waren, bei denen ich den Eindruck hatte, dass man Wein nur noch anders, aber nicht mehr besser machen kann. Gewissermaßen sind Punkte für den Endkonsumenten etwas unrelevantes, wenn er sie selbst und nicht der einschlägige Weinkritiker oder -journalist vergibt. Trotzdem finde ich sie als Orientierungshilfe sehr nützlich, weil man nördlich von 95 Punkten sprachlich nur noch in Superlativen spricht und kleine Nuancen da schnell drin untergehen. Der Schloss Lieser steht nur auf #1, weil ich ihn vor dem Bürklin-Wolf probiert habe. Wer mein ganzes Loblied auf den Reiterpfad G.C. 19 nochmal lesen will, kann das gerne hier tun. (€€€€)

#1: Schloss Lieser Niederberg Helden GG 2016

Besser geht’s nicht mehr. Und wenn doch, dann werden für den Wein der das schafft die 101 Punkte eingeführt. Ich habe ihn über einen meiner üblichen “Weininfluencer” Felix Bodmann gefunden, der ihn mal groß auf Instagram gefeiert hat (er würde zwar wahrscheinlich bei dem Begriff “Influencer” zusammenzucken, aber allein durch seine Webweinschule bin ich schon spürbar von ihm “influenced” worden). Während viele der großen trockenen Rieslinge über die letzten Jahre in preisliche Sphären jenseits von gut und böse abgedriftet sind, sind die “normalen” Schloss Lieser GGs immer noch sehr fair bepreist. Und wenn sie dann auch noch so gut sind … (€€€)

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