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Der perfekte Weihnachtswein?

Ich bin über die letzten Jahre gesehen immer mehr zum Weihnachtsspätstarter geworden. Es treibt mich nur sehr selten auf Weihnachtsmärkte und ein wirklich weihnachtliches Gefühl kommt eigentlich immer erst in den Tagen um den 24. herum auf.

Dennoch muss ich für den heutigen Wein zwangsläufig zwei Wochen vor Weihnachten mich ein bisschen in Stimmung bringen. Ich möchte nämlich eine Art “Weihnachtswein-Empfehlung” geben und da man im Zweifelsfall noch zeitlich in der Lage sein soll den Wein nachzukaufen, kommt dieser Beitrag einfach etwas früher.

Was macht einen perfekten Weihnachtswein aus?

Weihnachten ist die Zeit, in der man im besten Fall wieder zusammenfindet, falls man sich über das Jahr irgendwie verloren hat. Das kann heißen, dass man als Familie wieder zusammenkommt, wenn man inzwischen weit voneinander entfernt wohnt, oder aber auch, wenn man aus den zwanghaften Routinen des Alltags anlässlich eines besonderen Fests Zerwürfnisse und Streitigkeiten beiseite legt. Vielleicht ist aber auch alles optimal und man trifft sich einfach aus Spaß an der Freude, egal.

Was zählt ist, dass man zu einem besonderen Anlass zusammenkommt. An solchen Tagen werden dann auch mal die üppigen und deftigen Gerichte ausgepackt und dagegen muss der Wein erstmal ankommen. Auch wenn ich wirklich kein Sommelier bin, würde ich zu dieser Art Essen tendenziell immer erst an Rotwein denken. Als Kind gab es an Weihnachten bei meiner Oma immer Rinderrouladen und auch wenn sie inzwischen nicht mehr selbst kochen kann und ich sicher schon viele viele Jahre keine Rouladen mehr gegessen habe, habe ich den Geschmack immer noch auf Abruf parat. Als junger Erwachsener würde ich mich aber definitiv über ein Glas Rotwein dazu freuen.

Also Rotwein. Was denn für einer? Ich gestehe gerne, dass ich selbst großer Pinot-Fan bin. Ich kenne nicht viel anderes, das, was die Finesse angeht, in der gleichen Liga spielt. Aber wenn man mal ehrlich ist, dann muss man sich eingestehen, dass Pinot abseits der Bubble kein besonders beliebter Rotwein ist.

Wenn man sich mal die Liste der beliebtesten Weine auf der Plattform “Vivino” anschaut, da findet man nach minutenlangem scrollen immer noch keinen Spätburgunder. Vivino ist so etwas wie das Facebook der Weintrinker. Damit meine ich nicht, dass es von einem übergroßen Techkonzern abstammt und extrem fragwürdig mit den Daten seiner Nutzer_innen umgeht. Ich meine damit, dass Vivino wahrscheinlich das ist, was so etwas wie einer Echokammer für Wein am nächsten kommt. Es ist leicht zu benutzen, sieht ästhetisch gut aus und spricht damit nicht nur die Nerds, sondern auch ein breiteres Publikum an. Man vergibt dort bis zu fünf Sterne für einen Wein, was dann zu der Gesamtbewertung des Weines auf der Webseite beiträgt. Auf diese Art und Weise kann man eigentlich sehr verlässlich so etwas wie einen “Wein-Mainstream” abbilden.

Grob gefasst ist die Essenz dieser Liste folgendes:

  1. Die deutschen Weintrinker_innen mögen lieber rot als weiß. Der erste Weißwein kommt erst nach über 40 – 50 Rot-, Port- bzw. Schaumweinen und ist ein neuseeländischer Sauvignon Blanc aus Marlborough.
  2. Die deutschen Weintrinker_innen lieben Prosecco, Lambrusco, Cava + ausgewählte Schaumweine aus dem Trento, Cremant de Loire und auch mal einen Champagner.
  3. Es gibt nichts, was hier besser ankommt als farbintensiver Rotwein aus Italien. Besonders hoch im Kurs sind Primitivos aus Apulien und Rotweincuvées aus der Toskana und aus den Abruzzen. Wenn es nicht Italien ist, dann ist es Rioja.

Zum Thema Primitivo mache ich mal einen eigenen Beitrag, weil darüber gibt es viel zu viel zu sagen, aber im Ganzen gesehen war der Besuch auf der Seite sehr aufschlussreich.

Der Wein

Nachdem ich jetzt groß davon erzählt habe, was in Deutschland eigentlich gerne getrunken wird, muss ich ja jetzt noch erklären, warum ich das getrost ignorieren werde und mir etwas völlig anderes ausgesucht habe.

Meine Wahl fällt auf den Cabernet Sauvignon 16 vom Weingut Richard Östreicher aus Franken. Obwohl in Franken der Silvaner völlig zurecht ganz oben auf dem Podest steht, ist mir Östreicher vor allem wegen seines Chardonnays, seiner Pinots und wegen dieses Cabernet Sauvignons ein Begriff. In einer Blindflug-Folge erzählt Felix Bodmann von seinem Erweckungserlebnis mit diesen Weinen und da musste ich dem mal auf den Zahn fühlen. Obwohl es als reiner Cabernet Sauvignon vermarktet wird, ist dennoch ein bezeichnungsunschädlicher Verschnitt von knapp 10% Cabernet Franc mit drin. Die Trauben für den Wein wachsen in der Lage “Sommeracher Katzenkopf”, einem weiteren Beispiel für die unfreiwillig komische Benennung einiger Lagen in Franken. Das kann einem aber eigentlich völlig egal sein, denn was Östreicher da auf die Flasche bringt, ist großes Kino.

Im Glas

Die erste Nase ist der Grund, warum ich ihn als meine Weihnachtsempfehlung genommen habe. Zuerst kommt etwas Zimt, Vanille, Gewürze aber auch etwas Holz. Diese Eindrücke stehen aber nicht einfach nebeneinander, sondern sind unglaublich filigran und harmonisch miteinander verwoben.

Was den Wein so besonders heraushebt ist, dass er komplett jede Überreife vermeidet. Ich habe auch schon Cabernets probiert, die einerseits sehr viel neues Holz hatten und auch zeigten, aber andererseits auch noch eine viel zu marmeladige Frucht besaßen. Das zusammen trifft leider einfach wirklich nicht meinen Geschmack, weshalb ich selbst auch kaum Cabernet trinke bzw. im Keller habe. Aber das bringt einfach dieses besondere Terroir mit sich. Franken ist, gerade im Vergleich mit dem Napa Valley, wo die meisten dieser zu üppigen Cabernets herkamen, unglaublich kühl und diese Standorte sind inzwischen teilweise einfach besser dafür geeignet vollreife, aber nicht marmeladige Rotweine zu produzieren.

Die Säure ist präsent und sorgt für eine wirklich schöne Struktur. Gleichzeitig ist das Tannin extrem fein und trocknet den Mund nicht völlig aus. Gerade dieser Aspekt macht den Wein meiner Meinung nach zu einem exzellenten Weihnachtswein, da er genug Kraft hat, um mit deftigem Essen mitzuhalten, er aber trotzdem nicht die Weintrinker_innen abschreckt, die sonst lieber weiche und teilweise halbtrockene italienische Weine bevorzugen.

Für mich ist der Wein ein leises Monument. Er hat Kraft, aber er erschlägt dich nicht. Dazu ist er unglaublich harmonisch, sodass man sich einfach zurücklehnen und genießen möchte.

Man bezahlt für diesen Wein viel Geld, aber im Vergleich internationaler Cabernet Sauvignons dieser Klasse ist das immer noch fast ein Schnäppchen. Außerdem überlegt sich der ein oder andere ja vielleicht auch an Weihnachten mal ein bisschen über das Budget hinaus einzukaufen. Ich persönlich bin ziemlich begeistert und kann es nur empfehlen. (€€€)

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