Obwohl ich vor einiger Zeit in dem Beitrag über Weningers Rosza Petsovits mal erzählt hatte, dass ich ein paar spannende Rosés hier im Blog präsentieren möchte, kam die Einladung zu dieser Probe wirklich mehr als nur gelegen. Rosé hat gerade in der Weinbubble nicht unbedingt viel Ansehen. Weine, die meistens bestenfalls als „Lecker-Limo mit Anspruch“ gelten, klingen erstmal nicht nach super viel Erkenntnis oder gar ganz großer Begeisterung. Dass Rosé aber sowohl das eine als auch das andere kann, weiß ich spätestens seit ein paar Wochen.
Die Probe
Zum Start gab es zwei Rosé-Schäumer. Einer davon war Hanspeter Ziereisens „Ohrechruebler“ aus Spätburgunder und Regent. Der andere war der „Enfant de la Montagne“ Premier Cru Brut Rosé. Der Rosé-Champagner aus dem Hause Bertrand Delespierre. Beide gefielen mir sehr gut und funktionierten klasse zum ungefähren Eichen der Punkteskalen. Ja, wir haben gepunktet und ich fand das auch völlig okay so. Das birgt natürlich immer gewisse Risiken, wenn die Diskrepanz zu groß wird, aber von einem objektiven Anspruch an diese Weine war sowieso nie die Rede. Probiert wurden 15 Weine einzeln, also nicht in Flights eingeteilt. Insgesamt waren wir zu neunt, wobei aber nur acht von uns gepunktet haben. Wir haben uns schon während des Probierens über unsere Eindrücke ausgetauscht und am Ende jeder Runde unsere Punkte vorgelesen. Für das Gesamtergebnis war die Nachverkostung nicht mehr ausschlaggebend, aber manche Weine konnten mit ein paar Stunden Luft nochmal deutlich gewinnen. In diesen Fällen ist dies im Text vermerkt. Auf meine persönliche Punktzahl gehe ich im Text ein. Die Gesamtwertung wird am Ende aufgelöst.
Die Weine
Antonio Macanita Rosé dos Villões Tinta Negra 2021
Die Flasche sieht eigentlich nach ziemlich ernsthaftem Stoff aus. Vielleicht ein bisschen freakig aber niemals so dropsig und kitschig wie sich der Wein präsentiert. Auch der Erdbeerjoghurt-BSA-Ton, welcher noch zum geflügelten Wort der Probe werden sollte, war jetzt erstmal nicht besonders förderlich. Dieser schwenkte sich zwar ein bisschen raus, aber für mich war das immer noch nicht so mein Fall. Diese dropsige Frucht hielt ich auch länger für Restzucker, stand damit aber total alleine. Da ich keine Analysewerte finden konnte, habe ich mich da vielleicht ein bisschen täuschen lassen. (87 Punkte)
Sylvain Pataille „Fleur de Pinot“ Marsannay Rosé 2019
In der Einladung für die Probe hatten drei Namen gestanden. Einer davon war Sylvain Pataille und als dieser Wein im Glas war, schauten wir uns relativ schnell an und waren fast todsicher, dass es dieser sein müsse. Recht hatten wir. Auch mal schön, wenn man nicht ganz die verkosterische Blinze ist ;). Erster Eindruck beim reinriechen: Geil! (ja, klingt jetzt ziemlich plump, hab ich aber so aufgeschrieben). Aber warum jetzt also Pataille? Erstens: Farblich würde das eigentlich schon als Rotwein durchgehen. Angela Osbournes filigrane Grenaches aus Kalifornien waren jetzt nicht unbedingt dunkler als dieser „Rosé“. Zweitens: Streitet euch so viel ihr wollt über das Terroir im Burgund. Der Wein riecht „burgundisch-erdig“ und zwar für mich wirklich unmissverständlich. Er ist knochentrocken, ziemlich fruchtfern, leicht bitter und hält sich sehr lange nach hinten raus. Hat jetzt zwar nicht unbedingt was mit Rosé zu tun, aber als Wein einfach grandios. (93 Punkte – nachträglich korrigiert auf 94 Punkte)
Château de Pibarnon Bandol 2021
Zu Beginn etwas reduktiv, dann kommt auch hier ein leichter Joghurt-BSA-Ton durch. Am Gaumen wirkt er etwas brandig, was in Kombination mit einer recht niedrigen Säure und wenig Druck nach hinten raus nicht nur bei mir nicht so gut ankommt. (85 Punkte – nachträglich korrigiert auf 83 Punkte)
Château d’Arlay „Corail“ 2013
Riecht erstmal extrem oxidativ. Später stellt sich raus: Kein Wunder. Einerseits weil Jura, andererseits weil 10 Jahre alt. Die Nase ist trotzdem irgendwie sexy und wirklich vielversprechend. Am Gaumen wird nur nicht viel von diesem Versprechen eingelöst, denn der Wein hat irgendwie kaum Abgang. Ich finde das zwar sehr schön zu trinken, aber die Erleuchtung dafür Rosé jetzt unbedingt erstmal zehn Jahre liegenlassen zu müssen ist er nicht. (88 Punkte – nachträglich korrigiert auf 89 Punkte)
Bussaco Rosé „Reservado“ 2020
Ich sehe die leuchtend rosa-orangene Farbe im Glas und mein Kopf sagt trotzdem erstmal: Das ist doch Riesling. Mosel. Bisschen Schieferstinker. Clemens Busch könnte das sein. Leicht schmelzig am Gaumen, aber mit gutem Säuregerüst. Von der reinen Stilistik wirkt das sehr klassisch und einfach richtig, richtig gut. Kein bisschen kitschige Frucht. Macht einfach richtig Laune. Blind tippe ich auf irgendwas Elegantes aus Österreich – Na ja, nicht wirklich. Trotzdem toll. Aus der Magnum. (94 Punkte)
Aldinger Trollinger Untertürkheimer Gips 1G 2020
Dieser ist erstmal nur reduktiv und zeigt nicht viel. Am Gaumen ist das dann wiederum ziemlich lecker, aber auch relativ abgangslos. Auf mich wirkt das schon wieder eher halbtrocken, aber auch diesmal bin ich damit ziemlich alleine. Jetzt im Nachhinein beim Lesen meiner VKN verstehe ich nicht wirklich warum ich dem Wein erstmal 91 Punkte gegeben habe, aber wenn man die Nachverkostung bedenkt, ist das gar nicht so schlimm, denn als Einziger dreht dieser Wein mit Luft richtig auf. Die Reduktion hat einem sehr eleganten Holz Platz gemacht, die kitschige Frucht ist weg und der Wein erinnert inzwischen mehr an richtig guten Chardonnay. Als ich später höre, dass das hier der teuerste Wein der Probe war, bin ich allerdings etwas geschockt. Denn ja, das ist später richtig klasse, aber 80€ für den 20er und 100€ für den 21er ist für mich viel zu viel. (91 Punkte – nachträglich korrigiert auf 93 Punkte)
Doppio Passo Rosé (Casa Botter) 2021
Da isser. Tong hat sich echt getraut diesen Wein mit in die Probe zu nehmen. Mutig, aber völlig richtig meiner Meinung nach. Dieser hat jetzt aber tatsächlich eine Gummibärchennase. Ich versuche mich eigentlich immer eher davon freizumachen, dass Gummibären immer gleich kaltvergoren bedeuten muss, aber in Kombination mit dem diesmal wirklich deutlich schmeckbaren Restzucker (14 g/l), ist es dann doch recht wahrscheinlich der Fall. Lustigerweise fehlt ihm tatsächlich auch einfach ein bisschen Säure (6 g/l), um den Zucker zu puffern. Das würde den Ahr- oder Moselwinzern mit ihren teilweise halbtrockenen Rosés und Blanc de Noirs nicht passieren. Ist ganz lecker, aber insgesamt geht er im Feld der anderen Weine einfach unter. (85 Punkte)
Château Musar Rosé 2018
Das war so ein Wein bei dem man kurz reinriecht und im Kopf alle Alarmglocken angehen – Achtung, leider geil! Kreidig, steinig, etwas Akazienhonig – eine traumhafte Nase. Abgang ist wirklich sehr lang, allerdings ganz leicht alkoholisch. Das ist nicht so meins, aber alles andere ist wirklich grandios. Am Tisch schaut man sich an und spekuliert, ob das Tondonia ist. Großes Zeug. (96 Punkte)
Garage Wine Old Vine Pale Truquilemo Vineyard Lot #113 2021
Der Name ist länger als die Polizei erlaubt. Der Abgang zieht leider nicht ganz mit. Ich mag das trotzdem sehr gerne, obwohl auch der Wein seinen Alkohol nicht ganz verstecken kann. Für manche am Tisch schmeckt der Wein nach diesem Hagebuttentee, den es immer in Jugendherbergen gibt. Das finde ich zwar ein bisschen harsch, aber ein bisschen was davon hat er schon. Mir gefällt der Wein sehr gut, aber da finde ich nur ein bis zwei Gleichdenkende in der Runde. (91 Punkte – nachträglich korrigiert auf 90 Punkte)
R. López de Heredia – Viña Tondonia Gran Reserva Rosado 2012
Zugegeben, der Name ist jetzt nicht viel kürzer – der Wein dafür umso besser. Reingerochen – erster Gedanke: Mist, das ist Tondonia. Der Wein hat tatsächlich viel Holz. Bei elf Jahren Reife hätte ich das etwas zurückgenommener erwartet. Genau wie der Musar ist auch Tondonia etwas medizinal (Akazienhonig), hat dafür etwas mehr Extraktsüße. Der Holzgerbstoff ist auch am Gaumen noch sehr präsent. Wirkt insgesamt druckvoller als der Musar, aber hat nicht die gleiche Tiefe. Im Verlauf des Abends oxidiert er spürbar und man merkt ihm dann auf einmal doch sein fortgeschrittenes Alter an. Trotzdem einer der Weine des Abends. Toll das mal getrunken zu haben. (94 Punkte)
Dominio del Aguila „Picaro del Aguila“ Clarete Rosado 2018
Wieder kreidig, kalkig – I like. Der Wein hat eine interessante „Säurekurve“. Die Säure ist anfangs ganz kurz präsent, nimmt sich dann sehr zurück und wird nach hinten raus wieder sehr zitrisch. Steile These: Kommt da was aus der Tüte in einem so heißen Anbaugebiet? Ich konnte die Nase eigentlich nicht wirklich weiter genau beschreiben, aber es gefiel mir einfach sehr gut. Aus der Magnum. (91 Punkte)
Domaine de l’Horizon Rosé 2021
Der erste Eindruck zählt und hier ist das: BSA gone wrong. Trotzdem ist das kaum fruchtig und alles irgendwie verwaschen und undefiniert. Das kann man zwar trotzdem ganz gut trinken, aber gerade nach dem Auflösen ist das Entsetzen und die Verwunderung schon sehr groß. Auch in der Nachverkostung kann der Wein sich nicht besser präsentieren. Der DIAM 30-Korken verrät zwar, dass der Wein wahrscheinlich jetzt noch nicht unbedingt getrunken werden muss, aber das was jetzt da ist ist nicht unbedingt besonders verheißungsvoll. Schade. (87 Punkte)
Keller Spätburgunder Rosé 2019
Riecht erstmal nur reduktiv, was sich aber größtenteils recht schnell wegschwenkt. Allerdings bleibt ohne Reduktion nicht sehr viel in der Nase übrig. Am Gaumen hingegen hat der Wein eine straffe Säure, einen schönen leichten Gerbstoff und wirkt sehr lecker. Nachträglich hab ich ihn wahrscheinlich etwas zu hoch bewertet, aber manchmal bin ich anfällig für reduktive Sachen. (92 Punkte – nachträglich korrigiert auf 90 Punkte)
Suertes del Marques Malvasia Rosado 2021
Oh, das ist was anderes. Kuhstall und Erdbeeren sind echt eine wilde Kombi. Am Gaumen bleibts wild mit echt ordentlich Gerbstoff. Darüber hinaus ist das wirklich derbst ungefiltert. Kommt am Tisch nicht so gut an, aber ich mag das gern. Blind tippe ich auf irgendwas zwischen Weninger und Gut Oggau … einen zu früh 😀 (91 Punkte)
Gut Oggau Winifred 2021
Der Wein hat noch echt viel restliche Gärkohlensäure. Riecht irgendwie freaky – vielleicht wirklich die „funky Popcorn“-Note. Auch hier kommt nochmal die Hagebuttentee-Assoziation, die ich selbst nur bedingt nachvollziehen kann. Ich mag das wirklich gerne und obwohl das jetzt wirklich natural und untypisch ist, kommt der Wein sehr gut an. (93 Punkte)
Nachschlag zum Dessert
Kracher Rosenmuskateller Trockenbeerenauslese No. 4 2018
In Kombination mit dem Eis wird es von einem Teilnehmer der Probe sehr passend als 100 Punkte-Erlebnis beschrieben. Kann ich so unterschreiben. Kein Reparaturschaumwein, kein Kabi, sondern geballte Konzentration in unfassbar elegant. Was ist das immer noch so filigran bei 11% Alkohol, 6,6 g/l Säure und 188 g/l Restzucker? Blind habe ich auf Südtirol und Aromasorte (aber nicht Gewürztraminer) getippt. Andere wussten relativ schnell, dass das Kracher sein muss. Es ist mein erster Kracher, aber wenn das immer so genial ist, wird es nicht mein letzter gewesen sein. Als Wein allein sind das für mich bockstarke 97 Punkte, aber zum Eis wirklich ein absoluter Traum.
Das Ergebnis
Für die Gesamtplatzierung wurde der Mittelwert aus allen Punktzahlen aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer genommen.
Platzierung | Wein (Punktzahl im Durschnitt) |
---|---|
1. | Château Musar Rosé 2018 (93,8) €€€ |
2. | Gut Oggau Winifred 2021 (93,1) €€€ |
3. | R. López de Heredia Viña Tondonia Gran Reserva Rosado 2012 (92,9) €€€€ |
4. | Sylvain Pataille „Fleur de Pinot“ Marsannay Rosé 2019 (92,8) €€€€ |
5. | Bussaco Rosé „Reservado“ 2020 (92,5) €€€€ |
6. | Keller Spätburgunder Rosé 2019 (91,6) €€ |
7. | Dominio del Aguila „Picaro del Aguila“ Clarete Rosado 2018 (91,4) €€€ |
8. | Aldinger Trollinger Untertürkheimer Gips 1G 2020 (91) €€€€ |
9. | Château d’Arlay „Corail“ 2013 (89,4) €€ |
10. | Garage Wine Old Vine Pale Truquilemo Vineyard Lot #113 2021 (88,9) €€ |
11. | Suertes del Marques Malvasia Rosado 2021 (88,6) €€€ |
12. | Domaine de l’Horizon Rosé 2021 (88,3) €€€ |
13. | Antonio Macanita Rosé dos Villões Tinta Negra 2021 (87,5) €€ |
14. | Doppio Passo Rosé (Casa Botter) 2021 (85,9) € |
15. | Château de Pibarnon Bandol 2021 (85,8) €€€ |
Gedanken zum Ergebnis
Erstmal zum Offensichtlichen: Doppio Passo nicht auf dem letzten Platz??? :D. Nein, das geht schon in Ordnung. Denn unabhängig davon, dass ihn und den Bandol nur 0,1 Punkte trennen, ist das völlig trinkbarer Wein – nur halt in einer Probe mit so vielen Granaten völlig langweilig. Was den Bandol angeht, fehlt mir ehrlicherweise die Erfahrung mit diesen Weinen, weshalb ich mich nicht aus dem Fenster lehnen würde, um zu behaupten, dass da vielleicht die Flasche nicht ganz in Ordnung war. Vielleicht ist das ein total typischer Vertreter seiner Gattung und wir am Tisch mochten halt lieber andere Stilistiken.
Die große Enttäuschung des Abends ist aber leider nun mal nicht Doppio Passo, davon hat eh keiner viel erwartet, sondern Domaine de l’Horizon. Für so einen Wein mit so viel Ambition hat diese Flasche leider wirklich kaum etwas davon zeigen können. Wie bereits spekuliert war das eventuell Babymord und der Wein braucht einfach noch viel Zeit auf der Flasche, aber auch das mögliche Potenzial, das man oft bei Jungweinen schon erkennen kann, war irgendwie nicht da. Ich hoffe, ich bekomme in den nächsten Jahren den 21er-Jahrgang nochmal ins Glas und kann dann behaupten, dass wir uns alle geirrt haben.
Hätte sich der Aldinger schon früher so gut wie in der Nachverkostung probiert, stünde er vermutlich deutlich höher in der Liste.
Château Musar war die große Granate des Abends. Lediglich bei einem Teilnehmer kam keine allzu große Begeisterung auf. Der Rest bewegte sich zwischen 93 und 97 Punkten. Man muss aber anmerken, dass er zwar mit 97% Obaideh und Merwah (Weißweinrebsorten aus dem Libanon) und lediglich 3% Cinsault zwar noch regulär als Rotling gilt, er aber abseits der Farbe auch gut als Weißwein durchgehen würde. Soll mir aber egal sein, denn das war großer Stoff im Glas. Dass er selbst Tondonia ausstach, war zwar überraschend, aber zu Recht.
Gut Oggau war der absolut versöhnliche Abschluss, der allen ein Lächeln auf die Lippen zaubern konnte. Alle Bewertungen zwischen 92 und 94 – quasi einstimmig – und das bei einem so ungeschliffenen Naturwein. Das hätte ich so vermutlich nicht erwartet. Andererseits war das eigentlich eine reine Nerdrunde. Nach „Lecker-Limo“ und anderen gefälligen Formen suchte dort keiner 😉
Danke
Ein großes Danke geht an Tong und Elisa, die die Probe kuratiert, organisiert und veranstaltet haben. Auch abseits der Weine gab es grandioses Essen für zwischendurch und in dieser Runde hat das einfach sehr viel Spaß gemacht.