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Meinung Weintagebuch

Einmal den Berg runter

Die Rioja ist vermutlich das bekannteste Anbaugebiet in Spanien. Das große Renommee kommt allerdings quasi ausschließlich von den höher gelegenen Teilen der Rioja Alta und Alavesa. Der östliche, flacher gelegene Teil, die sogenannte Rioja Oriental (ehem. “Baja”) wird dabei gerne vergessen. Dort werden tendenziell deutlich mehr Weine produziert, die keiner großen Lagerung vor dem Genuss bedürfen. Deshalb hat man sie nicht wirklich auf dem Zettel.

Ein Mann auf Mission

Alvaro Palacios ist einer der umtriebigsten Winzer Spaniens. In den 80er Jahren begann er sein Projekt im Priorat, wo er inzwischen mit dem l’Ermita einen der teuersten Weine Spaniens macht (den kleinen Les Terrasses 2017 gabs hier schon mal im Blog). In den 90ern folgte dann seine Neugründung Descendientes de J. Palacios zusammen mit seinem Neffen Ricardo Pérez im Bierzo an der Grenze zu Galizien. Dort trug er massiv zum Aufstieg des Mencías bei. Um die Jahrtausendwende übernahm er dann auch noch das elterliche Weingut Palacios Remondo in der Rioja Oriental, wo er seitdem diese Region aufrüttelt.

Der Name Palacios zieht. Wer auch mal bei Petrus gelernt hat, der sollte etwas von dem Handwerk verstehen. Für die Fans der ganz ganz großen Individualität, für die ein Weingut jenseits einer Flaschenproduktion von 100 000 pro Jahr schon nur noch “Industrieplörre” produziert, ist Palacios sicher der perfekte Antagonist. Ich werde hier ganz bewusst etwas herablassend, denn diese Einstellung kann ich gar nicht nachvollziehen.

Von Palacios’ Basiswein “Petalos” gibt es je nach Jahrgang plus-minus 275 000 Flaschen, “Camins del Priorat” aus den schwer bewirtschaftbaren Weinbergen des Priorats zählt ca. 190 000 Flaschen und “Finca La Montesa” aus der Rioja Oriental hat eine Jahresproduktion von 600 000 Flaschen.

In einer Welt, in der man nur auf Riesling-GGs schaut, die, abseits von Weil Gräfenberg, Wittmann Morstein, etc., am besten auch noch eine jährliche Stückzahl von 10 000 nicht überschreiten, kann man leicht auf die Idee kommen, dass man bei solch “hohen” Produktionen nicht mehr von “Terroir”, “Herkunft” usw. reden könne.

Über Palacios’ Spitzenweine “L’Ermita” (1100€), La Faraona (1245€ – aktueller Subskriptionspreis) und den “Quinon de Valmira” (ca. 300€) und die Marktkonformität dieser Preise darf und sollte man gerne streiten. Aber wer die Basis allen Ernstes bei Blanchet, Rotkäppchen und co. einordnet, sollte das vielleicht mal gegeneinander verkosten …

Doppelmoral

Und was ist mit mir selbst? Im Beitrag über Roagna hab ich mich selbst noch dazu hinreißen lassen ein Plädoyer für Familienbetriebe und Individualität vorzutragen. Da steh ich gerne zu – und trotzdem habe ich 0,0 Problem damit Palacios, Telmo Rodriguez, usw. zu kaufen. Denn ich kenne mich in den Regionen aus denen ihre Weine kommen nicht auf dem Level aus, dass ich aus dem Stehgreif mindestens drei “Sub-10 Hektar-Betriebe” kenne, die auf dem gleichen Level Wein machen, à la Jakob Schneider und Konsorten. Falls ich mich irgendwann dort tatsächlich auskenne, bin ich gern bereit auf die Suche nach diesen Leuten zu gehen, aber bis dahin genieße ich mit großer Freude weiter die “Industrieplörre”.

Der Wein

Ach, was ein Wunder. Es gibt Finca La Montesa 2019 von Palacios Remondo. Der Wein wird zu 95% aus Garnacha gekeltert. Das allein unterscheidet ihn schon massiv von den klassischen Riojas im Stile von “La Rioja Alta” oder natürlich “R. Lopez de Heredia”. Vergärung (je nach Quelle) im Beton bzw. im Stahl und Ausbau für zwölf Monate im Barrique. Den Regularien der DOC Rioja entsprechend ergibt das eine “Crianza”. Der 100 Hektar große Weinberg für diesen Wein liegen auf ca. 600m Höhe und damit etwas höher als der Großteil der Rioja Oriental. Der Wein hat eine Bio-Zertifizierung, was zwar in diesen sehr heißen Gegenden viel leichter zu bekommen ist als an Mosel, Saar und Ruwer, aber trotzdem ein weiterer Fingerzeig dafür ist, dass man auch nachhaltig im größeren Stile arbeiten kann.

Im Glas

Der Wein ist zwar auch schon direkt nach dem ersten öffnen präsent, dennoch vollzieht er mit ein bis zwei Tagen Luft nochmal einen größeren aromatischen Wandel. Frisch geöffnet hätte ich das blind vermutlich erstmal ins Piemont gesteckt, so floral und rotfruchtig wie das war. Denn auch im Piemont gibts diesen nicht so erdigen Stil bei z.B. Elio Grasso, der aber bei der aktuellen Popularität des Traditionalismus bei Roagna, Conterno, Rinaldi, usw. einfach nicht so gefragt ist.

Mit ein paar Tagen Luft und teilweise sogar Lagerung außerhalb des Kühlschranks, ist das in der Nase erstmal Kirsche, Kirsche und noch mehr Kirsche. Dahinter wirds etwas Erdbeerig, aber nicht laktisch als Erdbeerjoghurt sondern eher Erdbeeren auf Kuchen. Kuchen ist nen gutes Stichwort denn irgendwann machen sich dann auch mal die toastigen Holznoten von Vanille und Zimt bemerkbar, was dann schnell an Kirschstreusel erinnert. Entweder ist das eine super Beschreibung oder ich hab einfach massiv Lust auf Kuchen … ? Am Gaumen wird es super saftig mit einer gut eingebundenen Säure und einem leichten Gerbstoff. Der frisch geöffnete Wein hat länger nachgeklungen, aber das ist mir gerade total egal, denn der Rest macht gerade einfach happy. (€)

Bei dem Preis wird man wahrscheinlich nur sehr sehr wenige Weine finden, die eine ähnliche Qualität bieten. Wer einen neuen und noch unbekannten Palacios gefunden hat, der seine Crianza noch für 6€ verkaufen muss, der kann sich glücklich schätzen. Hoffentlich macht er auf Social Media ein bisschen Alarm für ihn und ist dann nicht zu enttäuscht, wenn andere das bald auch so sehen und er auf einmal 12€ für den gleichen Wein verlangen kann.

Gut, reicht jetzt auch.

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