Als, hoffentlich noch gemäßigtes, Mitglied der „Riesling-über-alles-Fraktion“ (RAF) finde ich Riesling offensichtlich ziemlich genial. Was ich aber bisher vollständig ausgeblendet habe ist, dass die Rebsorte nicht nur in Deutschland wachsen und große Weine hervorbringen kann. Das darf nicht so bleiben. Daher fange ich heute damit an, ein paar weitere Bildungslücken zu schließen.
Der Wein
Eine Region, deren Rennommee für Riesling fast noch größer ist als in Deutschland, ist das Elsass. Meine Erfahrung mit Weinen aus dieser Region geht eigentlich gegen null. Die meisten meiner Weinfreunde, und ich, sind bei dem Thema immer sehr deutschlandlastig unterwegs. Aber mal nach rechts und links gucken sollte man hin und wieder schon.
Was macht man also, wenn man sich da mal herantasten möchte? Man nimmt einen der wichtigsten Produzenten und probiert von ihm etwas Mittelgewichtiges.
Es gibt Riesling Roche Calcaire 2018 von der Domaine Zind-Humbrecht. Neben der Domaine Trimbach ist Zind-Humbrecht wahrscheinlich das wichtigste Weingut für Riesling im Elsass. Sie arbeiten sowohl biologisch als auch biodynamisch. Der Wein wächst auf kalkhaltigen, tiefen und nährstoffreichen Böden, die gerade im Hitzejahr 2018 gut das Wasser halten konnten. Obwohl der Wein aus sieben verschiedenen Orten kommt, kann man ihn von der Gewichtsklasse her ganz gut mit einem Ortswein bis Erste Lage aus Deutschland vergleichen. Die meisten der Weinberge haben eine leichte ostwärts gerichtete Hanglage.
Im Glas
Der Wein hat einen BSA gemacht. Wenn es nicht in der Weinbeschreibung stehen würde, dann käme ich da nicht wirklich drauf. Elsässer Rieslinge wurden mir immer als deutlich cremiger und säurearmer beschrieben als Rieslinge aus Deutschland. Ich kann das zwar jetzt nach diesem Wein bestätigen, aber die Angst davor extrem breite, BSA-geprägte Weine zu probieren bin ich jetzt erstmal wieder los. Denn, ja, das ist milder in der Säure und schon etwas schmelziger als die total straighten GGs der guten VDP-Winzer, aber in seiner eigenen Art ist das unglaublich gut.
Frisch geöffnet frage ich mich erstmal wo denn jetzt der große Unterschied zu deutschen Vertretern sein soll, aber nach einer halben Stunde macht der Wein dann endlich auf. Am selben Abend hätte ich ihn aber trotzdem auch blind wahrscheinlich erstmal instinktiv in die Pfalz gesteckt, denn er ist schon von seinem wärmeren Klima geprägt. Aber jetzt, nachdem er zwei Tage lang offen im Kühlschrank stand, verstehe ich, was gemeint ist. Der Wein teilt sich das Mundgefühl und zeitweise sogar ein bisschen die Aromatik mit restsüßen Auslesen. Steinobst, Honig, floral, etwas Tee … Nur halt weniger üppig, wenngleich die 4,9g RZ bei der niedrigeren Säure deutlich süßer schmecken, als man das bei GGs zum Beispiel hat. Was wirklich beeindruckt ist, dass er zwar schon ein Stück weit breiter und cremiger ist als ich es gewohnt bin, aber dass er trotzdem sehr lange nachhallt. Außerdem zeigt er überhaupt keinen unangenehmen Bitterton, den viele 18er-Rieslinge durch den Hitze- und Wasserstress entwickelt haben. Da macht sich der Lagenvorteil tatsächlich mal sehr bemerkt. Meinem Gefühl nach passt die etwas kreidige Art sehr gut zu anderen Rieslingen vom Kalk, aber was hierbei Terroir und was Autosuggestion ist, kann ich nicht sagen. Tut in diesem Fall auch gar nichts zur Sache, denn unterm Strich bleibt bei mir hängen, dass ich Elsässer Rieslinge bis jetzt sträflich vernachlässigt habe. Wer nur auf ultra-fokussierte und sehr schlanke Rieslinge steht, der wird eventuell tatsächlich nicht so sehr davon abgeholt, aber für mich ist dieser Wein, auch gerade in dieser Preisklasse, grandios. Allerdings trinke ich zum Beispiel auch gerne Künstler und dazu könnte man die eine oder andere Parallele schon finden. (€€)