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Die Winestagram-Bubble

Die Klausurenphase knechtet mich, aber irgendwie schaffe ich es trotzdem diesen Beitrag rauszubringen. Nur halt nicht mehr pünktlich. Na ja, besser spät als nie. Ich muss mich heute mal etwas auskotzen und pinkle damit wahrscheinlich dem ein oder anderen ans Bein. Klappe, die erste: „Rant über die Wein-Bubble auf Instagram“ Szene 1.1; Take 1; und bitte.

Wie funktioniert Instagram?

Um das ganz zu Beginn einmal kurz festzustellen: Instagram taugt sehr gut zur Selbstdarstellung und zum gegenseitigen Fomo (fear of missing out) bedienen. Eine gehaltvolle Diskussion über Wein anzuregen funktioniert hier kaum. Bei Insta geht es darum anderen Leuten Bilder zu zeigen und diese sollen diese dann gut finden. Wenn man einen Post nicht gut findet, dann tut man eben nichts aktiv um ihn zu verbreiten. Im Umkehrschluss bedeutet das aber natürlich, dass fast ausschließlich die positiven Stimmen gehört werden und man den Eindruck gewinnt, dass alles irgendwie geil ist. Die Leute auf Insta feiern sich eigentlich ständig nur gegenseitig ab und dieses gegenseitige virtuelle „high-fiven“ geht mir, wenn ich mal ganz ehrlich bin, hart auf die Nerven.

Auch ich habe für diesen Blog einen Instagram Account um dort immer einen Post zu machen, wenn ein neuer Blogbeitrag online gegangen ist. In gewisser Weise mache ich aber trotzdem alles falsch, denn ich bin kaum aktiv auf Instagram, ich teile kaum Beiträge von anderen, ich kommentiere nicht unter den Posts der anderen und ich folge nicht einer Unzahl von anderen Accounts, damit diese dann selbst auf mich aufmerksam werden und ich so mehr follower generiere und meine Reichweite vergrößere. So agiert man auf Instagram wenn man das „erfolgreich“ gestalten möchte. Hier hab ich das Wort erfolgreich mal ganz bewusst in Anführungszeichen gesetzt, denn ich bin mir nicht so sicher, ob das eine Art Erfolg ist, die ich für mich als wirklichen Erfolg darstellen wollen würde.

Unter vielen Beiträgen bei denen Menschen Bilder von Flaschenparaden oder ähnlichem posten, findet man unzählige Kommentare, die nur aus kurzen Ausrufen wie „Yeah!“, „amazing“ oder aus Mini-Sätzen wie „Guter Stoff!“, „love it“ oder ähnlichem bestehen. Manchmal sind es auch nur ein paar Herzaugen-Emojis oder Flammen oder so. Und meistens sind diese Kommentare kein wirklich ernst gemeinter Kommentar mit dem man eine wirkliche Stimmung über die Weine ausdrücken möchte, sondern sind lediglich Futter für den Instagram-Algorithmus damit dieser das eigene Profil häufiger zeigt. Denn so funktioniert die App – sie sammelt gerne Daten um sie auszuwerten und dabei ist es völlig egal, ob diese irgendeinen wirklichen Inhalt haben oder nicht.

Weingüter und Werbeagenturen

Auf Instagram tummeln sich alle möglichen Menschen – Profis und Amateure. Für Amateure wie mich ist die App eigentlich echt ganz schön um für sich und für andere ein bisschen festzuhalten wie denn die eigene Reise durch den Wein so läuft und um sich auch selbst ein wenig darzustellen. Dazu kommen wir gleich noch. Andererseits ist die App aber auch wie gemacht für Weingüter, Händler und andere Profis um ein größeres und vor allem aber auch ein anderes Publikum zu erreichen. Dass Wein ein Nachwuchsproblem hat sollte jeder inzwischen erkannt und akzeptiert haben und da eignet sich Social Media (vielleicht nicht unbedingt facebook …) einfach sehr gut um jüngere Zielgruppen anzusprechen.

Social Media bringt aber auch eine neue Gattung von Spielern an den Tisch: Social Media-Werbeagenturen. Das besondere an ihnen ist, dass sie nicht nur im Hintergrund agieren und neue Konzepte erdenken, sondern, dass sie selbst mit auf dem „Werbeschlachtfeld“ bei Instagram aktiv sind. Sie sind aber vom Gefühl her eher keine tatsächlichen Influencer, weil sie als individuelle Personen eher selten in Erscheinung treten. Stattdessen sieht man immer nur ihre neuesten Errungenschaften bzw. die Weine, die sie gerade neu erworben haben, die Weine, die sie gerade privat getrunken haben oder die Weine, die sie auf Messen und Veranstaltungen exklusiv probieren konnten. Komischerweise kommen die gekauften und privat getrunkenen Weine auch häufig von Weingütern, die ihre Dienste als Social Media-Agentur in Anspruch nehmen.

An dieser Stelle möchte ich mal kurz in die Runde fragen, ob ihr das genauso komisch findet, wenn Leute bei Instagram Flaschen posten, die sie nur gekauft und noch nicht getrunken haben? Was soll ich denn mit dieser Information anfangen außer: „Oh, da hat jemand Geld für einen Wein bezahlt und möchte mir damit bestimmt sagen, dass ich den Wein auch kaufen sollte ohne irgendeine Einschätzung präsentieren zu können, ob er überhaupt etwas taugt …“?

Mit diesem ganzen Gemecker soll übrigens in keinster Weise gesagt werden, dass die Weine, die von Agenturen gepostet werden, nichts taugen. Ich finde es aber ehrlich gesagt wirklich kritisch, wenn Weingüter und deren Agenturen sich dann immer weiter gegenseitig reposten und damit sinngemäß aussagen: „Hey, schaut mal. Wir trinken hier einen Wein von unserem Kunden und er ist sooo geil.“ und die Weingüter reposten das dann nach dem Motto: „Hey, schaut mal. Da trinkt jemand unseren Wein und findet ihn ’sooo geil'“ und man selbst steht als Außenstehender so daneben und fragt sich: „Wen wollt ihr hier denn ver…?“. Ihr merkt, ich kann mit diesem Zirkus wirklich wenig anfangen. Zum Glück bin ich als Hobbyblogger und Student auch nicht darauf angewiesen gut im Social Media Game zu sein um mir eine riesen Reichweite zu erarbeiten, die dann quasi mein finanzielles Kapital ist. Ich mache weiter meine Posts, wenn ein neuer Blogbeitrag rauskommt, aber die Zeit, die ich ins Kommentieren von „🔥🔥🔥“, „👏👏👏“ oder „der 🔨“ stecken müsste, verbringe ich ehrlich gesagt lieber anders.

Weintrinker, die jeder kennt

Diejenigen von euch, die auch so etwa meine Generation sind, kennen sicher noch diese Sorte YouTube-Videos bei denen verschiedene Typen von X gezeigt und parodiert werden. Beispiel: Studenten, die jeder kennt und darin dann der Vollzeitaktivist oder der planlose BWL-Studierer. So kann man das auch auf die Insta-Weinwelt ummünzen. Daran probiere ich mich hier mal und bin dabei auf vier Kategorien gekommen. Wem noch mehr einfallen, der kann diese gerne kommentieren. Ich finde das einfach sehr witzig. By the way: Alle Beispiele sind maßlos überzogen, aber ich glaube die ein oder andere Person in eurem Umfeld passt sicherlich trotzdem zu einem dieser Typen 😉

Der Lifestyler

Wein-Lifestyler sind in den seltensten Fällen wirklich Nerds. Sie sind die absoluten Meister der ästhetischen Selbstdarstellung. Ihr Profil folgt einem konsequent durchgezogenen Farbschema (meistens mit viel weißen Klamotten und gerne mit Fotos die während der goldenen Stunde entstanden sind) und sieht auch immer aufgeräumt und organisiert aus. Lifestyler lieben Sprüche wie „Zu Vino sag ich nie no“ und designen ihre caption bis ins letzte Detail. Im Glas findet man bei ihnen häufig Rosé, Bubbles oder, wenn’s das ganz krasse Klischee ist: Lugana. Insta ist ihre Spielwiese und sie haben ihr Spiel absolut perfektioniert.

Der Hipster

Die Kategorie liebe ich persönlich sehr. Hier findet man sowohl ahnungslose junge Männer, die fast nur mit Naturwein sozialisiert wurden, als auch Besitzer von trendigen Weinbars oder Restaurants, die auf brutal lokale Küche abfahren. Filtration ist hier ein Schimpfwort, auf der permanent getragenen Wollmütze steht „Glou-Glou“ und alles was nicht „low-intervention“, „small scale production“ oder wenigstens „no (added) sulphites“ ist, wird mit der Kneifzange nicht angefasst. Als Hipster ist es absolut essenziell, dass man sich vom Mainstream abgrenzt. Also muss ständig der neue heiße Scheiss gefunden werden, damit man bloß nicht noch zu lange Roagna oder Pierre Overnoy feiert und die Weine auch schon längst in der „etablierteren“ fine wine Ecke angekommen sind. Hipster trinken fast alles, so lange es noch irgendwie unter dem Radar fliegt oder sehr hart an der Grenze zum Fehlerhaften taumelt. Ich find sie witzig, meistens etwas eingebildet, aber witzig.

Der Wappler

Ich kannte den Begriff bis zuletzt nicht, also, was ist das?

österreichisches, umgangssprachliches Schimpfwort für einen ungeschickten, unfähigen oder begrenzten Menschen; dieses Schimpfwort wird auch für Personen (männliche) verwendet, die vorgeben kompetent und fähig zu sein, in Wirklichkeit aber völlig unfähig sind

Die Kategorie ist leider groß. Hier gehören für mich alle Weintrinker und Weintrinkerinnen (wobei ich noch kaum Frauen getroffen habe, die so drauf sind) rein, die große Keller und dicke Portemonnaies haben, sich damit KPK, Egon Müller, o.Ä. leisten, und sich etwas darauf einbilden ohne aber wirklich die Hintergründe zu verstehen. Andererseits fallen aber wahrscheinlich auch diejenigen in diese Kategorie, die auf „südliche Sonne“ im Rotwein (aka versteckter Zucker) abfahren und nicht verstehen warum das Quatsch ist (vor dem Beitrag darüber drücke ich mich irgendwie auch immer noch, obwohl die beiden Weine längst bei mir im Keller liegen …).

Der Wein-Aristokrat

Diese Kategorie ist eigentlich nur für Maxi Riedel erfunden worden. Bitte nicht falsch verstehen. Der Typ hat absolut seine Berechtigung aber wer seinen Social Media Auftritt nicht wenigstens gelegentlich minimal kritisch oder sarkastisch betrachtet, der ist wahrscheinlich einfach in einer anderen Weinrealität unterwegs als ich. Der Aristokrat trinkt keinen jungen Wein. Alles unter zehn Jahren kann eigentlich noch nichts taugen. Das Beste vom Besten ist ihm gerade gut genug. „Wie du hast 07er Petrus zu unserer best-bottle-party mitgebracht? Han’s dir ins Hirn nei gschissn?“ Irgendwie spricht der Prototyp Wein-Aristokrat in meiner Vorstellung auch immer Wiener Dialekt – sorry an alle Wiener. Was die Selbstdarstellung angeht, enttäuscht er auch nie. Da muss auch gelegentlich mal beim Jetski fahren die Flasche Roederer Cristal mit dem kurfürstlichen Säbel geöffnet werden – in slowmo natürlich.

So, und jetzt versuch ich gleich mal die Weine meiner ersten Runde mit Freunden nach dem off dry-January in diese Kategorien einzusortieren. War ganz schöner Stoff mit dabei – oder um es mit Instagram Kommentaren zu sagen: „🔥🔥🔥“!

Ein tatsächlich authentisches Bild vom Abend … inklusive Keksdosen und Arizona-Eistee-Flaschen. Fast schon wie in einer normalen Studentenrunde … 👀

Die Weine

André Clouet Champagne „Dream Vintage“ Grand Cru Bouzy Brut 2006

Ellenlanger Name … aber leider geil. Im Jahresrückblick hatte ich ja schon gesagt, dass ich im letzten Jahr Schaumweine für mich entdeckt habe und irgendwie muss man ja das Weinjahr einläuten. Noch habe ich nicht genug Erfahrung mit Schaumwein um das hier Probierte vernünftig einordnen zu können, aber auch so war ich schwer begeistert. Natürlich ist das kein Leichtgewicht, aber diese grandiose Nussigkeit, die einfach mit dem Alter kommt, erschlägt den Rest des Weines nicht. Das wirkt einfach kühl, kreidig, straight aber mit einer guten Fülle und hält ein tolles Plädoyer für gereiften Schaumwein. Obwohl Clouet vielleicht nicht in der gleichen Liga wie Selosse und Konsorten spielt, kommt der Wein höchstwahrscheinlich trotzdem in die Kategorie „Wein-Aristokrat“, allein wegen des Alters. Müsste man Maxi Riedel aber mal fragen, ob ihm das schon gut genug wäre 😉 (€€€€)

Claude Riffault Sancerre Blanc „Les Denisottes“ 2021

Der Wein wurde mir blind eingeschänkt. Mit meiner Resterkältung war ich anfangs etwas auf dem Trip reduktiver Chardonnay, aber irgendwann war mir diese Tropik zu viel und ich bin auf Sauvignon umgesattelt. Gelandet bin ich aber in der Steiermark – so rein vom Bauchgefühl. Umso spannender fand ich es dann als der Wein aufgelöst wurde, weil ich ja Riffault gar nicht vor allzu langer Zeit erst in rot im Glas hatte. Dieser Sauvignon hat aber definitiv die größeren Anlagen. Ich finde ihn tatsächlich noch sehr verschlossen und sehr reduktiv, aber dahinter liegt so ein Kern, der sicher in ein paar Jahren geknackt werden kann. Also reine Spekulation, aber ich glaube, das könnte was sehr gutes werden. Den Wein allerdings jetzt einzusortieren fällt mir echt schwer. Riffault hat sicherlich mal bei den Hipstern angefangen, aber dafür ist er eigentlich jetzt schon zu bekannt … Hier hat meine Typenkategorisierung leider eine Lücke. Fürs erste sage ich einfach: das ist ein Blogger-Wein. (€€€)

Keller Westhofen Sylvaner 2022

Keller = Wappler! Nein, Spaß. Ein Ortswein und erst recht ein Silvaner reicht dem Wappler noch nicht. Den Wein habe ich tatsächlich ganz regulär im Handel gefunden nachdem Sam Hofschuster auf Instagram eine Lobeshymne auf seinen großen Bruder gesungen hat. Für mich treffen sich in dem Wein ein bisschen Silvaner, Champagner und Riesling. Das ist ganz komisch, aber irgendwie klasse. Extrem kreidig, dezent phenolisch, Heu und Stroh, aber dabei lustigerweise sehr saftig und trotzdem mit einer schönen gelben Frucht. Moritz findet auch noch Petrol bei der Blindprobe und kommt dadurch kurzzeitig auf Abwege. I don’t blame him. Der Wein passt irgendwie nicht wirklich zu den fränkischen Silvanern die ich so kennengelernt habe. Ich find ihn trotzdem sehr gut und wahnsinnig lecker, aber so hab ich Silvaner tatsächlich noch nie getrunken. Andererseits hab ich auch bisher kaum Silvaner aus Rheinhessen getrunken. Vielleicht auch ein bisschen wegen guter Memes wie diesem:

Credit: cellarschlampen (Instagram)

Passt in diesem Fall zwar absolut nicht, aber ich find’s trotzdem witzig. Die Kategorisierung hatten wir schon geklärt, oder? (€€€)

Caveau du Val de l’Amour Trousseau 2020

Ahh, endlich was für die Hipsterfraktion. Wenn’s schon nicht reduktiv nach faulen Eiern riecht, dann darf es auch gerne viel Oxidation sein. Ich rieche zum ersten mal ins Glas und denke: „Puhh, ziemlich ’natty‘, aber ich mag das“. Sehr oxidativ, Tomate, Hagebutte, kräutrig, kaum Gerbstoff und trotzdem schafft der Wein den Spagat zwischen herb und saftig. Und das Beste: das ganze geht auch ohne Böckser, Mäuseln o.Ä. Ein Wein aus der Kategorie „Rotwein für Weißweintrinker“. Das Etikett mit dem Typen, der den reverse-Obelix macht (Maurerdekolleté inklusive) ist ein bisschen speziell, aber das gehört bei den Hipstern einfach dazu. Gelegentlich bin ich selbst gerne einer. (€€€)

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5 Antworten auf „Die Winestagram-Bubble“

Schöner Text! Ist schon viel Wahres dran, aber ganz so pauschal kann man es – wie so oft – dann doch nicht sehen, finde ich. Habe schon einige gute Bekanntschaften geschlossen durch Instagram und interessante Kontakte geknüpft. Außerdem tolle Tipps bekommen, auch von Nicht-Wein-Accounts. Kommt also immer darauf an, was man draus macht…. 🙂

Vieles an dem Beitrag soll natürlich etwas überspitzt dargestellt werden. Mich interessiert ja auch was die Leute trinken mit denen ich auch selbst im „normalen“ Leben Wein trinke. Und spannende Kontakte über Instagram zu knüpfen wollte ich nie in Abrede stellen 😉

Ich finde diesen Blog Beitrag als alt analoge auch sehr interessant. Fast finde ich, er sollte mal irgendwo mehr gehighlighet werden. Bravo

…da spricht mir mal jemand aus der Seele! Ich bin aus verschiedenen Gründen völliger Meta-Abstinenzler, deshalb bekomme ich nur so ab und zu mal mit, was „auf Insta“ weinmäßig so verzapft wird. Aber das reicht schon, um festzustellen, daß der Nutzen der Beiträge dort zumindest für mich allenfalls knapp über Null liegt. Aber wer meint, damit was für sich selbst gewinnbringend anfangen zu können, so what!

Da sind mir Blogs wie dieser hier mit echtem Inhalt ganz erheblich lieber, wenn’s um das Finden von Anregungen geht!

Auch wenn ich so meine Probleme mit der Plattform habe, findet man doch immer wieder gute Inhalte und spannende Empfehlungen. Deswegen bin ich persönlich trotz allem dort, aber eben mit einer „gesunden“ kritischen Distanz.
Aber es freut mich, dass du dich hier gut aufgehoben fühlst 🙂

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