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€€ €€€ Weintagebuch

Es begann in einem Kirschgarten

Während ich gerade im Flieger nach Spanien sitze, kommen hier ein paar Verkostungseindrücke. Ich versuche wieder etwas mehr Regelmäßigkeit in meine Beiträge zu bringen, deshalb muss es dann manchmal auch einfach nur Wein ohne Thema dahinter sein. Die heutigen Weine stammen von der Abschiedsrunde eines sehr guten Freundes, der leider wegzieht. Manche von ihnen haben den Abend würdig begleitet, andere hingen etwas den Erwartungen hinterher.

Terra de Marca Cava Reserva Brut Nature 2016

Ein erster Schritt in die Welt des Cava. Auch nach über drei Jahren habe ich noch so viele blind spots auf der Weinweltkarte, aber man kann ja auch nicht alles auf einmal entdecken. Sehr schöner Einstieg in den Abend. Er wirkt trotz brut nature nicht staubtrocken und kommt dank seiner dezenten Fruchtigkeit auch gut bei den nicht-Nerds an. Für den geneigten Brioche-Fan bei Schaumweinen ist aber auch was dabei. Sehr fein und elegant und darüber hinaus preislich echt fair. (€€)

Oliver Zeter Viognier 2016

Zeters einfachere Variante des Viognier. Dennoch ist auch hier schon richtig Substanz dahinter. Das Holz wirkt gut integriert. Die Frucht ist wirklich sehr reif und birnig und bringt so eine grundsätzliche weiche Würze mit sich. Während der Mittelteil am Gaumen etwas müde wirkt, kommt nach hinten raus dann wieder mehr Druck. Der Wein hätte wahrscheinlich schon vor einem bis zwei Jahren getrunken werden sollen. So ist das zwar immer noch gut, aber mir hätte er dann wahrscheinlich noch etwas besser gefallen. (€€)

Von Winning Sauvignon Blanc “500 Reserve” 2017

Damals auf dem Weingut war ich vom normalen 500er schon völlig weggepustet worden. Sie hatten ihn aber nur noch als letzten Rest in der Verkostung und nicht mehr auf Lager zum kaufen. Da setzte dann bei mir schnell der Kaufreflex ein, als ich diesen hier sah. Häufig kann ich Heiner Lobenbergs Verkostungsnotizen nicht so wirklich nachvollziehen, aber bei diesem Wein finde ich sie wirklich sehr gelungen. Denn was ich mir zu dem Wein aufgeschrieben habe und das, was er sich da “zusammenverglichen” hat, deckt sich tatsächlich häufiger.

Diese Reserve liegt nochmal zusätzliche 18 Monate im Holz, was dazu beiträgt, dass sich jenes deutlich mehr zurücknimmt. Der normale 500er hat viel dominanteres Holz, was gelegentlich auch mal begeistern kann, aber für diese letzte Feinheit da lohnt es sich einfach mehr aromatische Schichten freizugeben. So eine Ahnung der grünen Paprika ist übrig geblieben, aber insgesamt neigt der Wein auf des “Reifemessers Schneide” eher zur exotischen Seite. Insgesamt ist die Frucht ungemein süß, wobei das nicht wie Restzucker schmeckt (ich habe leider keine Analysewerte gefunden). Alles an diesem Wein wirkt irgendwie gefühlvoll. Er hat zwar echt Druck und schiebt gerade im Abgang mächtig an, aber total harmonisch. So gut hatte ich Sauvignon Blanc noch nicht. Hut ab! (€€€)

St. Antony Niersteiner Hipping GG 2019

Ich möchte alle nochmal an die Worte von Stephan Reinhardt erinnern, der 2020 den Jahrgang 2019 als wahrscheinlich den besten, der je in Deutschland vinifiziert wurde, bezeichnete. Das zu bestätigen oder zu widerlegen kann ich wahrlich nicht, aber meine eigenen Erfahrungen haben mir gezeigt, dass bei 2019 Genie und Wahnsinn sehr eng beieinander liegen. Glücklicherweise hatte ich bisher häufiger das Glück auf wirklich grandiose 19er zu stoßen und erst wenige wirklich schwache Weine dieses Jahrgangs im Glas. An diesem Abend war es bedauerlicherweise mal wieder so weit.

Man sagt ja gerne, dass 90 Punkte so ein bisschen die Schallmauer für GGs ist. Darunter sollte es nicht gehen und nach oben ist alles gerne gesehen. Aber wenn ich ehrlich bin, dann würde ich mir wahrscheinlich nie bewusst ein GG kaufen, wenn mir jemand sagt, dass es qualitativ in diesem Bereich bewegt. Dafür habe ich schon zu viele Ortsweine und Erste Lagen getrunken, die nicht nur in diese Bereiche vorgesprungen, sondern sie sogar übertroffen haben. Ich habe mich schon länger von der Hoffnung verabschiedet jedes GG sei wirklich “groß” aka 95+, aber bei einem 90 Punkte GG ist die Enttäuschung dann doch oft groß.

Na gut, was stört mich denn jetzt an diesem 19er Hipping? Er schmeckt unfassbar süß. Nach längerer Recherche habe ich immer noch keine Analysewerte gefunden, aber ich würde wetten, dass er mindestens 4-5 g, wenn nicht sogar mehr hat und diese schmecken in einem so heißen Jahr einfach doch eher wie 9. Für den Abend ist es eigentlich ein sehr passendes GG, denn es hat das Mindestmaß an Konzentration, eine relativ typische Rheinfront-Anmutung, ein bisschen Petrol und eine sehr “cleane” Stilistik – und viel Trinkfluss. Dazu kommt noch so etwas wie Reifenabrieb. Kannte ich vorher nicht als Aroma in Wein, gefällt mir aber erstaunlich gut. Die Säure ist wirklich sehr mild für Riesling, was dem Wein meiner Meinung nach nicht guttut. Nach ein paar Stunden an der Luft schleicht sich ein bisschen Orangenschale in die Nase – sehr schön, aber kann auch nicht darüber hinweghelfen, dass das im Abgang leider echt kurz ist. Ich weiß, man liest als Leser oder Leserin ungern “Verrisse” oder Enttäuschungen, aber heute wollte ich es der Vollständigkeit halber mal dabei haben. (€€€)

Knipser Kirschgarten Spätburgunder GG 2018

Knipser Kirschgarten ist bei Moritz und mir eigentlich schon so was wie ein running gag. Vor zwei Jahren hat uns mal ein 2015er komplett weggepustet und die Messlatte für Pinot generell ziemlich hoch gelegt. Seitdem wird in halbwegs regelmäßigen Abständen versucht, an die Performance an diesem Abend anzuknüpfen. Für mich kam da bisher am nächsten ein 2019er Volnay Premier Cru “Les Caillerets” von Bouchard Père et Fils ran – der war zwar stilistisch völlig unterschiedlich und insgesamt auch feiner und filigraner, aber der bessere Wein war er trotzdem nicht. – war aber ne knappe Kiste. Was den Kirschgarten damals so glänzen ließ, war seine unfassbar üppige Frucht, die krasse “Fleischigkeit” und sein extrem elegantes Holz. Die 14% Alkohol haben da absolut herrvorragend zu gepasst.

Während der ein oder andere Leser jetzt eventuell amüsiert lacht und sich glücklich schätzen kann, die ein oder andere Flasche Rousseau oder DRC im Keller liegen zu haben und uns beide für unsere mickrige Vorstellung von Knipser Kirschgarten als “großem” Pinot zu bemitleiden, freue ich mich über jeden, dessen mindset offen geblieben ist.

Plan also für den Abend: Wir übertrumpfen Kirschgarten 15 mit Kirschgarten 18. Was soll ich sagen? Hat nicht geklappt. Halb so wild … oder? Eigentlich wäre es wirklich keine Schande, wenn ein Jahrgang 18 einen Jahrgang 15 nicht schlägt. 18 ist ja ohnehin in vielerlei Hinsicht ein kleiner Problembär unter den Jahrgängen der letzten zehn Jahre. Aber die Art und Weise wie er sich präsentiert hat und scheinbar auch präsentieren soll, war ein bisschen schade. Moritz hat mir vor gut einem Jahr mal den 17er Kalkmergel von Knipser blind eingeschenkt und ich hab damals gesagt, das ist entweder Burgund oder einer von denen in Deutschland, die dem Trend mit dem Hang zur Unreife verfallen sind. Knipser hatte ich davor immer nur in “knallereif” und recht üppig (aber nicht plump) ins Glas bekommen. Dieser Wein passte da in meine Vorstellung so gar nicht rein. Damals kamen schon die ersten Sorgen auf, ob wohl auch bald auf dem Johannishof auf der Rasierklinge geritten wird. Wenns gut gemacht ist, mag ich das ja auch echt gerne, wie bei dem Volnay, aber hin und wieder gönne ich mir lieber ein bisschen mehr Reife.

Also, 18er Kirschgarten Pinot: Für diesen Mops-Jahrgang kommt der Wein ziemlich schlank rüber. Die 13% die er hat wirken in diesem Moment fast mehr wie 12,5. Das ist dennoch vollreif, obwohl so ein bisschen Tomatenpflanze schon dabei ist. Tabak und helle rote Früchte dominieren in der Nase, während das wirklich stabile Säuregerüst hinten raus ordentlich anschiebt. Zu Beginn wirkt er trotz einer Stunde Luft in der Karaffe recht verschlossen, was sich auch nur begrenzt über den Abend ändert. Die Frucht bleibt leicht belegt und kommt so leider nicht ganz so schön zum Strahlen. Das soll alles nicht darüber hinwegtäuschen, dass das ein wirklich toller Pinot ist, aber vom Prädikat “groß” dann doch noch ein ganzes Stück entfernt. (€€€)

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